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Wired

“We know a lot about digital technology, and we are bored with it. Tell us something we’ve never heard before, in a way we’ve never seen before.”
Louis Rosetto, Motto der ersten Wired-Ausgabe

Dass ich ein langjähriger, treuer Leser der Wired bin, habe ich schon verraten.

Das fängt für mich damit an, dass sie schon optisch unverwechselbar ist. Aber vor allem steht Wired für ein klares inhaltliches Programm. Sie versucht seit 20 Jahren erfolgreich das gesamte Spektrum der Netzkultur abzudecken (soweit eine Zeitschrift das überhaupt vermag).

Es gibt in der Wired sehr viele verschiedene Autoren. Ich nehme die Wired in die Hand, blättere sie durch und bin immer wieder überrascht. Oft finde ich meine Meinung bestätigt, aber regelmäßig lese ich Artikel, deren Standpunkt ich nicht wirklich teile. Dennoch weiß ich genau, was ich bekomme, wenn ich sie kaufe; seit 20 Jahren.

Dabei liegen zum Teil die Gemeinsamkeiten der Protagonisten weit auseinander und die Gräben sind tief, das wird vor allem Themen deutlich, wo technologische Machbarkeit mit Ethik in Konflikt gerät – menschliches Klonen, DIY-Kriegswaffen und ähnliches sind gute Beispiele dafür. Auch wo es primär um Lebensstile geht, herrscht kein Konsens, sondern Vielstimmigkeit: nicht jeder identifiziert sich mit Extropianern, mit Ultra-Libertären oder Neo-Kollektivisten (nur um mal drei zu nennen).

Gemeinsam ist allen Themen aber, dass es um diese besondere Kultur geht, die sich in eben diesen 20 Jahren entwickelt hat, und die wir (mangels besseren Begriffs) als Netzkultur bezeichnen. Einigkeit besteht da selbstredend über Punkte wie (Creative) Commons, Datenschutz und Überwachung, die zentrale Rolle von Bildung in der Gesellschaft – Kernthemen sozusagen. Auch das Menschenbild zieht sich wie ein roter Faden durch die Wired: der Mensch ist in der Lage, selbstbestimmt zu leben.

Knapp eine Million Menschen kaufen das Heft jeden Monat. Viele davon Stammleser. Obwohl das Heft so heterogen ist. Das liegt auch an dem schönen Papier, den guten Bildern und der großartigen Typografie.

Und heute Abend (liege im Fieberwahn im Bett) habe ich plötzlich ein Bild im Kopf, wie ich mir die Piratenpartei vorstelle.

4 replies on “Wired”

‘Wired’ als Strukturprinzip der Piraten – interessant. Heterogenes Maximum und Kulturhomogenität. Das erinnert mich ein wenig an das alte Reich bis 1803. Herder hätte es nicht besser ausdrücken können als Blumtritt.

Sharing is caring: ich werde “Mare” als Vergleich nehmen, um weiteren Kreisen der Bevölkerung mit geringerer Technikaffinität ein Bild an die Hand zu geben. Das erlebbare Strukturprinzip einer barrierefreien Teilhabe, bei der nur die Würde und Freiheit der anderen die Grenzen setzt, sehe ich aber auch als politische Vision der Piratenpartei.

… im Gegensatz zu den deutschen Territorien zu Herders Zeiten haben die Piraten aber bereits ihren “Staat” mit Verwaltung und allem drum und dran: die Partei. Der Vergleich zu den USA ist vielleicht passender: aktuell Ante-Bellum.

Vielleicht um es etwas klarer zu machen: hören wir auf, mit den Grabenkämpfen.

Wir müssen kein monolithisches Paket abliefern – BGE 100% ja oder nein, Liquid Feedback 100% Allheilmittel oder Teufelszeug …

Aber: wir sollten bereit sein, diese Standpunkte als legitim anzunehmen statt zu bekämpfen und genauso umgekehrt bereit sein, anzunehmen, dass auch solche liebgewordenen Punkte vielleicht aus Gründen von anderen abgelehnt werden.

Wenn wir sonst klar sind, was wir wollen – dann wird uns Vielgestaltigkeit in diesen Punkten nicht schaden.

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