The most human thing about us is our technology. (McLuhan)
Gestern bin ich an der Fabrik von Tesla Motors in Freemont, Ca. vorbeigefahren. Tesla ist nicht nur deswegen ein bemerkenswertes Unternehmen, weil sie sozusagen aus dem Stand heraus marktfähige Autos mit Elektroantrieb herausgebracht haben. Bemerkenswert finde ich, dass die Gründer nicht aus dem Auto-Business, Maschinenbau oder Elektrotechnik kommen, sondern, dass es Gründer von erfolgreichen IT-Startups in Silicon Valley sind, die ihre Erfahrung mit dem ‘Erschüttern von Märkten’ jetzt auf eine der traditionellsten Branchen richten, die doch scheinbar so gar nichts mit Software oder dem Web zu tun hat. (Die Tesla-Story steht sehr schön zu lesen in dem Wired-Artikel von 2010).
Der direkte Energieverbrauch unserer Maschinen und Apparate verlagert sich immer mehr auf die Elektrizität und direkte Krafterzeugung durch Verbrennung von Öl oder Kohle wird immer weniger wichtig werden – davon bin ich überzeugt. Selbstverständlich muss der elektrische Strom ebenfalls erzeugt werden, er ist also nur Transportmedium für die Energie, es bleibt derselbe Strom, egal wie er erzeugt wird.
Durch Elektroantriebe wird Energieerzeugung vom Energieverbrauch entkoppelt. Man kann sich bei der Erzeugung darum kümmern, dass diese unschädlich für das Klima erfolgt und politischen Rahmenbedingungen genügt, die ausschließlich die Erzeugung betreffen, ohne gleichzeitig vorzuschreiben, was die Verbraucher der Energie damit machen.
Und dann lese ich diesen Aufmacher in der TAZ von neulich:
“Ein Ausbau der Elektroflotte auf eine Million Fahrzeuge bis zum Jahr 2022 führe, so das Öko-Institut, zwar zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen im Verkehrsbereich um 6 Prozent, mit effizienteren Benzinmotoren ließen sich aber 25 Prozent einsparen. Die Anbieter von Elektroautos kümmern sich bisher kaum darum, dass der Ökostrommarkt um den Anteil wachsen muss, den ihre Fahrzeuge künftig verbrauchen.”
Zu gut deutsch: es ist besser, am alten Zustand herumzufrickeln, noch ein wenig mehr Effizienz herauszuholen, bevor man – OMG! – eine neue Technologie als Alternative aufbaut.
Ich will an dieser Stelle gar nicht in das Für und Wider von Elektroautos einsteigen, darüber sprechen, warum es vielleicht doch nicht so dumm ist, wie gesagt, das CO2-Problem von der Mobilität abzukoppeln, den Energieverbrauch durch elektrischen Strom von der Energieerzeugung zu trennen.
Es geht mir um die grundsätzliche Technologiefeindlichkeit, die ich aus dieser Ablehung lese. Neue Technologie ist immer zuerst zu kritisieren. Sie muss sich “erstmal behaupten”, muss bewiesen haben, dass sie auch wirklich besser ist, als das Alte – ansonsten ist sie doch bitteschön abzulehnen. Es ist gar von der “Elektrolüge” die Rede, so als hätte irgendwer behauptet, Elektroautos verbrauchten keine Energie. In der Unterstellung der Lüge wird eine geheime Agenda angedeutet, die – ja wer eigentlich? – verfolgt, um – ja was eigentlich? – damit durchzusetzen.
Ich glaube, dass diese grundsätzliche Technologiefeindlichkeit, die vielen Menschen in Deutschland tief in den Knochen zu sitzen scheint, in Wahrheit eine Furcht vor Veränderung ist, dass hier derselbe Abwehrmechanismus in Gang kommt, der viele Menschen zu jenen Internet-Skeptikern macht, die hinter jeder Website nur Viren und Kreditkartenbetrüger vermuten, der Menschen fordern lässt, Überwachungskameras aufzuhängen und Websperren einzuführen. Es ist die Angst davor, dass die scheinbar ewigen Wahrheiten nicht mehr gelten – und das Benz-Automobil mit Otto- oder Dieselmotor ist für sehr viele Menschen hier eine Ikone, die allegorisch für die Stabilität der deutschen Gesellschaft an sich steht.
Ich erlebe in dieser Diskussionen um Elektroautos wieder diesen Bruch durch die Gesellschaft gehen, der viel mehr ist, als nur eine digitale Kluft. Es ist das Gefühl, dass viele Menschen, die ich für intelligent, kultiviert und gebildet halte, meine Ansichten nicht teilen und zwar ganz grundlegend, ideologisch. Und denen all mein Reden und meine (wie ich finde überzeugenden) Argumente ins Leere laufen.
Und dieses Gefühl haben offenbar viele andere ebenfalls. Es ist die Überzeugung, dass die Technologie ein so wesentlicher, zentraler Teil unserer Kultur ist, dass ein Deutsches Museum gleichwertig neben einer Alten Pinakothek steht und das Erlernen von Computersprachen ebenso wichtig wie das von Fremdsprachen ist.
Die gesellschaftlichen Strukturen im Netz liefern Modelle für diese neue Kultur, die man deshalb wohl auch als Netzkultur oder Digitalkultur etikettiert.
Nicht zuletzt deshalb reagieren so viele Menschen empfindlich, wenn in dieses Modell des Neuen plötzlich durch Leistungsschutzrechte, ACTA, SOPA etc. in seiner Entwicklung abgedämpft werden soll.
Hier im süden San Franciscos, im Zentrum der Nerd-Welt, wo sich alles um diese neue Lebensweise zu drehen scheint, wirkt die Welt jenseits der digitalen Spalte unendlich fern und entrückt. Aber lassen wir uns durch unsere Filter-Bubble nicht selbst betrügen – es ist ein langer Weg, die Kluft zu schließen und wieder einen Konsens herzustellen. Vielleicht wird es auch gar nicht gelingen – wir haben schließlich keinen DAEMON, der uns dazu zwingt.
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