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Futuristen kontra Utopisten

Futuristisches Ornament einer Lampe in einem Franchise-Café. Man kann auch düstere Symbole im Muster erkennen, wenn man möchte.

In der Piratenpartei gibt es angeblich einen Konflikt zwischen “Kernis”, den Piraten, die meinen, die Partei sollte sich auf ihre (tatsächlichen oder vermeintlichen) Kernthemen konzentrieren, also Urheberrecht, Datenschutz, Informationsgesellschaft – und den “Vollis”, also Leuten, die glauben, die Piraten-Idee ließe sich konsequent auf viele, wenn nicht alle Teile der Gesellschaft übertragen und daraus also ein Vollprogramm entwickeln. Das wäre in etwa vergleichbar zu den Fundis und Realos bei den Grünen. Ich glaube, dass aber die Bruchlinie ganz anders läuft.

Ich glaube, dass es tatsächlich zwei unterschiedliche Philosophien gibt, welche die Meinungen und Entscheidungen der beiden Piraten-Lager motivieren.

Ich würde diese beiden Lager als die Utopisten und die Futuristen bezeichnen. Wenn ich das im Folgenden versuche, so darzustellen, dass man die beiden Gruppen erkennen kann, muss ich selbstverständlich zusammenfassund und vergröbern. In Wirklichkeit sind sicher die wenigsten Piraten 100% in der einen oder der anderen Gruppe, sondern nehmen mehr oder weniger der Argumente für sich an.

Utopisten sind Menschen, die an einen zukünftigen Zustand der Gesellschaft glauben , für den sie arbeiten und kämpfen.

Die Utopisten in der Piratenpartei decken sich größenteils mit den Vollis. Ihre Politik speist sich aus einem spezifischen Menschenbild und dem Wunsch nach einer gerechten Gesellschaft. Die “Kernthemen” der Piraten sind darin zwar enthalten, aber nicht die Hauptsache. Basisdemokratie, Transparenz und soziale Gerechtigkeit sind die wichtigsten Werte der Utopisten. Wichtigster Baustein der neuen, utopischen Gesellschaft, ist ein neuer, demokratischen Prozess. Utopisten würden auf den Vorwurf “Ihr habt gar kein Programm” überspitzt antworten: unser Prozess ist unser Programm. Die Utopisten sind auch die Verteidiger von Liquid Feedback.

Futuristen sehen das Gute in der neuen Technologie. Futurismus bezeichnet zunächst eine Bewegung, die vor 100 Jahren von Italien ausging. Die Futuristen damals erkannten die Segnungen, die die Menschheit aus der industriellen Zivilisation erhalten könnte – vor allem aus der relativ neuen Elektrotechnik und der Motorisierung. Aber die Futuristen sahen, dass die alte Welt, die dekadenten Monachrien, mit ihrer restriktiven Moral die Entfaltung dieser Industriekultur nach Kräften ausbremsten – völlig zu Recht mussten die alten Machthaber doch fürchten, dass mit der völligen Demokratisierung der Energieversorgung (und damit der Produktionsmittel), ihr Machtanspruch “von Gottes Gnaden” ebenso überflüssig werden würde, wie die Segelschiffe oder die Pferdekutschen.

In der Piratenpartei sehe ich bei vielen Leuten ein ähnliches Motiv, wie bei den Futuristen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die moderne Technologie eröffnet einen Reichtum für nahezu unbegrenzt viele Menschen, aber veraltete Moral und Besitzstandswahrung verhindert, dass die digitale Kultur sich voll entfalten kann.

Auf den Piraten-Kernthemen decken sich die Ziele beider Lager nahezu völlig. Der Konflikt kommt auf, sobald allgemeinere politische oder ethische Fragen zu beantworten sind. Themen, wie Umweltschutz, Egalitarismus und auch Feminismus, die für die Utopisten hohe Priorität besitzen, sehen die Futuristen eher skeptisch (um es vorsichtig auszudrücken). Während es für die Utopisten unerträglich ist, dass die Piratenpartei Raum für Atomkraft-Befürworter lassen soll, ist das für die Futuristen eine legitime Meinung innerhalb ihrer grundsätlichen Technikfreude.

“Noi vogliamo distruggere i musei, le biblioteche, le accademie d’ogni specie, e combattere contro il moralismo, il femminismo e contro ogni viltà opportunistica o utilitaria.”

(Wir wollen die Museen, die Bibliotheken und die Akademien jeder Art zerstören und gegen den Moralismus, den Feminismus und jede Feigheit kämpfen, die auf Zweckmäßigkeit und Eigennutz beruht.)
Filippo Tomaso Marinetti

An der futuristischen Position stört mich vor allem das Harte, Maskuline, oftmals Zynische. “Wir sind kein Mädchenpensionat.” ist noch die mildere Variante. “Heul doch” – wer die Aggression nicht erträgt ist eben zu schwach. Geisteswissenschaften,vor allem das postmoderne Denken, werden gerne als unwissenschaftlich abgetan, während eine, gelinde gesagt naive Epistemologie der “Evidenz” propagiert wird.

“Die Politik jeglicher Färbung ist mir seit langem zuwider, und ich marschiere hinter keiner Fahne mehr her. Auch ist die Erdrevolution mit politischen Mitteln nicht zu bewältigen. Sie dienen höchstens zur Garnierung des Vulkanrandes, falls sie nicht die Entwicklung sogar vorantreiben.” (Ernst Jünger)

Die Piraten-Futuristen halten sich oft politisch für weder Rechts noch Links. Aber wie meistens, wenn Leute so eine apolitische Position für sich reklamieren, findet die Abgrenzung zwar sehr deutlich nach Links statt, während rechtes Gedankengut als “Meinungsfreiheit” verteidigt wird. Was nach außen vielleicht den Eindruck von Herumlavieren macht, von Stimmenfang am rechten Rand oder auch nur als Unentschlossenheit unterschätzt wird, ist, fürchte ich, in der Tat eine politische Position und sehr ernstzunehmen.

Il mondo è la rappresentazione della sensibilità e del pensiero di pochi uomini superiori.

(Die Welt ist ein Theaterstück aus den Gefühlen und Gedanken weniger, überlegener Männer)
Gabriele d’Annunzio

Auch wenn ich – da verrate ich sicher kein Geheimnis – viel Sympathie für die Utopisten habe (dazu gibt es hier schon eine ganze Reihe von Texten), muss ich zugeben, dass ich die Meinung der Futuristen teile, dass der technologische Wandel an sich schon einen Wert hat. In der Declaration of Liquid Culture haben wir versucht, diesen Futurismus auszudrücken. Man hat mir sogar vorgeworfen, dass diese Rede messianistische Züge trägt.

Ich hoffe, dass es uns gelingt, unsere Begeisterung an der neuen Welt, die wir uns durch die digitale Technologie erschließen, vom Zynismus und Autoritarismus zu trennen, der von den futuristischen Ideologen in die Piratenkultur getragen wird. Es wäre schade, im Technokratischen zu verharren und die, wie ich finde wirklich revolutionären Gedanken der Piratenphilosophie nicht auf alle Bereiche der Politik anzuwenden.

Ich bin überzeugt, dass die Piratenpartei für die Wahlen 2013 in diesen Fragen eine klare Position braucht.

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Ein paar Gedanken zur politischen Philosophie der Piratenpartei

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Ein paar Gedanken zur politischen Philosophie der Piratenpartei

In der andauernden Diskussion um die scheinbare oder tatsächliche Programmlosigkeit der Piratenpartei, hielt ich es für sinnvoll, einmal in sehr grober und knapper Form aufzuschreiben, was ich glaube, dass die Grundlage der Piraten-Politik ist. (Ich freue mich auf den Shitstorm ob dieser Vermessenheit.Sehr viel poetischer hat dies die Piratenpartei Russland in ihrem Programm ausgedrückt.) (()) (((Über das Thema Strategielosigkeit kommt als nächstes noch ein Post.))) ((((mehr dazu findet man auch in dem Interview mit @validom und mir in der Zeitschrift Widerspruch.))))

1. Menschen im Mittelpunkt

Menschlichkeit ist die Basis von allem. Der erste Grundsatz der Piratenpolitik ist, dass Menschen grundsätzlich gut sind. Die Gemeinschaft hat nicht die Aufgabe, Defizite auszugleichen, zu korrigieren, zu kontrollieren, sondern die Menschen erhalten durch die Gemeinschaft den Rückhalt, ein möglichst glückliches, freies und selbstbestimmtes Leben zu führen. Voraussetzung dafür ist Teilhabe an allen politischen, gesellschaftlichen, kulturellen oder wirtschaftlichen Handlungen und Abläufen für jeden Menschen grundsätzlich und so weit wie möglich zu öffnen, wo Hürden sind, diese abzubauen oder barrierefrei zu umgehen – und zwar nicht nur, was körperliche Einschränkungen betrifft, sondern auch bezogen auf wirtschaftliche, kulturelle oder soziale Assymmetrien. Ein glückliches, selbstbestimmtes Leben der Menschen in freier Entfaltung ist das wichtigste Ziel der Politik. Der erste Grundsatz ist also auch Hedonismus.

2. Freiheit

Jeder Mensch sollte so frei wie möglich von Bevormundung und Zwang sein. Liquid Democracy als System der Mitbestimmung spiegelt diese Vorstellung wider: jeder bestimmt jederzeit selbst die Politik mit, niemand ist durch eine verfasste Hierarchie oder durch irgendwelche anderen Vorgaben mehr dazu in der Lage, als die anderen; Delegationen werden in Einzelfällen zeitlich begrenzt erteilt und können jederzeit wieder zurrückgeholt werden.

Jedem Menschen steht es frei, sein Leben still oder öffentlich zu führen, sich Gruppen wie etwa den Geschlechtern oder Ethnien zuzuordnen oder eben nicht.Es gibt keine substantiellen Aggregate von Menschen wie “Volk” oder “Gesellschaft”, die irgendwelche eigenen Rechte besitzen. Daher gibt es auch kein “öffentliches Interesse” z.B. an der Vorratsdatenspeicherung oder daran, einen Ausweis besitzen zu müssen, sondern es sind nur die Interessen von Einzelnen, die stets im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden müssen. Die möglichst weitgehende Freiheit aller bedeutet erhebliche Einschränkungen der Menschen, die schon heute zu Lasten anderer Menschen sich mehr Freiheit nehmen, als ihnen ohne Zwang zustände – es geht also nicht um bedingungslosen Liberalismus, im Gegenteil. Eigentlich ist der zweite Grundsatz ein Anarchismus.

3. Öffentlichkeit

Fast nichts – zumindest nicht bei uns – ist wirklich knapp. Vieles, was allen Menschen an Gütern offenstehen könnte, wird knapp, indem es vom Öffentlichen ins Private verschoben wird. Bildung, Wissenschaft und Kultur an erster Stelle sind keine Waren. Öffentlichkeit – Politik – steht – wie schon bei Aristoteles – im Gegensatz zum Privaten, dem Oikos.

Politik muss vollkommen offen sein; öffentlich muss darüber gestritten werden, was entschieden wird. Transparenz muss das Wesen jeder Verwaltung sein, völlige Durchsichtigkeit auf allen Ebenen und in allen Abläufen. Intransparente Konstruktionen wie Fraktionszwang, Koalitionsverträge oder geheime Sitzungen außerhalb eines ganz engen Schutzbereichs personenbezogener Daten und von Staatsgeheimnissen, von denen der friedliche Bestand der Gemeinschaft abhängt, müssen wir überwinden. Es gibt keine privaten Nischen in der Politik. Die weitgehende Forderung nach Öffentlichkeit kann man als eine Form des Sozialismus sehen.

(((((so, das wärs.)))))

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Plus Ultra!
Offenes politisches Handeln
Infantile Politik

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Offenes politisches Handeln

Gonna stand my ground, won’t be turned around
And I’ll keep this world from draggin’ me down
Gonna stand my ground and I won’t back down
Tom Petty

Die Piratenpartei bezeichnet sich selbst offziell als Mitmachpartei. Das klingt nach “Anpacken”, “Jeder darf mal”, “Nichts für Faule”, fast nach Polit-Theme-Park mit Animation – “hier wird niemand langweilig”.

Dass Mitmachpartei allerdings etwas ganz anderes meint, ist in den letzten Wochen mehr und mehr deutlich geworden: die Piratenpartei sieht sich als eine Partei von politisch handelnden Menschen; jedes Mitglied ist selbst Politiker. Dieses Verständnis einer so weitgehend aktiven Mitgliedschaft hat weitreichende Konsequenzen.

„Letztendlich verleihen die Beobachter, die mehr als der Handelnde sehen, dem
Handeln den gemeinsamen Sinn, der eine Welt entstehen läßt. […] Im öffentlichen Raum befinden sich die Handelnden im Entborgenen, werden sie beobachtet, man spricht über sie, ihre Geschichte wird überliefert”
Hans-Martin Schönherr-Mann: Hannah Arendt. Wahrheit Macht Moral.

1) Öffentlichkeit ist die Grundlage von Transparenz

Transparenz ist eine Kernforderung der Piraten. Transparenz bedeutet Nachvollziehbarkeit aller politischen (und staatlichen) Entscheidungen und Prozesse. Voraussetzung für Transparenz ist Öffentlichkeit – nur was offen sichtbar ist, kann transparent werden.

Selbstverständlich muss die Forderung der Transparenz zu allererst für die Piratenpartei selbst gelten. Da sind zunächst die Amts- und Mandatsträger. Klar – möchte man sagen – die haben sich ihren Job ja schließlich herausgesucht; die wussten vorher, dass wir von ihnen völlige Offenheit erwarten. Aber die Piratenpartei unterscheidet sich in einem Punkt wesentlich von anderen politischen Parteien: es gibt keine gewählten Delegierten; die Piraten-Basisdemokratie macht es unabdingbar, dass auch alle Entscheidungen der Parteibasis transparent, d.h. offen und nachvollziehbar getroffen werden. Nachvollziehbarkeit bedeutet vor allem, dass klar ist, wer was getan hat (um evtl. daraus zu schließen, warum – insbesondere, wenn der Verdacht von Einflussnahme ausgeräumt werden soll). Daraus folgt, dass wenn möglich alle Aussprachen, Aufstellungen und Abstimmungen persönlich und offen ablaufen sollten.

Die Offenheit ist nicht nur Kontrolle, sondern bietet auch Schutz vor Angriffen. Wenn alle zusehen, wird auch Einschüchterung unwahrscheinlicher. Deshalb ist es auch so wichtig, dass Parteitage und Demonstrationen öffentlich verlaufen und jeder Mensch uneingeschränkt Bilder und andere Aufzeichnungen davon machen kann.

2) Spezialfall Liquid Democracy

Liquid Democracy ist ein politisches System, dass Basisdemokratie mit einer nicht-repräsentativen Delegationsmöglichkeit verbindet.
Jedes Mitglied kann selbst abstimmen, aber man kann seine Stimme auch delegieren – für eine einzelne Abstimmung, für ein bestimmtes Thema oder allgemein für eine bestimmte Zeit. Wenn ich nicht selbst von meiner Stimme gebrauch mache, hat mein Delegierter dann meine Stimme zusätzlich zu seiner eigenen (und gegebenenfalls zu weiteren Stimmen, die er von anderen per Delegation erhalten hat).

Wenn ich meine Stimme delegiere, möchte ich wissen, was mein Vertreter für mich abgestimmt hat – genau wie ich das bei den demokratischen Repräsentaten in den Parlamenten verlange. Damit kann mein Delegierter kein Wahl- oder Abstimmungsgeheimnis mehr für sich beanspruchen. Umgekehrt muss für mich nachvollziehbar bleiben, warum ein Mensch mit mehreren Stimmen gewichtet wird – es muss möglich sein, zu sehen, wen er vertritt. Damit schwindet auch ein Teil des Abstimmungsgeheimnisses der Leute, die ihre Stimme an andere Delegieren.

3) Liquid Feedback

Basisdemokratie und speziell Liquid Democracy funktionieren IRL nur für kleine Gemeinschaften – typischer Weise kleine Dörfer. Erst mit der Web-2.0-Logik der Social Networks konnten “elektronische” Werkzeuge entwickelt werden, um nicht-repräsentativ einen Willen zu bilden, wie das bei Basisdemokratie notwendig ist. Liquid Feedback ist das System, dass die Piratenpartei für Liquid Democracy einsetzt.

Für alle netzbasierten Wahlsysteme gilt : wenn die Abstimmungen geheim oder unter Pseudonym ablaufen, kann nie ausgeschlossen werden, dass es nicht möglich ist, gefälschte Nutzer-Konten anzulegen und damit abzustimmen. “Nein, Hase42 wird nicht darüber abstimmen, ob wir die Todesstrafe einführen wollen.” fasste Katja Dathe dieses Problem überspitzt zusammen, als im Landesverband Berlin darüber gestritten wurde, Liquid Feedback nur für Leute mit ihren bürgerlichen Namen freizugeben. Bei mehreren zehntausend Wahlberechtigten kann kein System mit Pseudonymen mehr transparent gehalten werden; Mitgliedsnummern sind da nicht besser, außer natürlich, ich kann jederzeit nachsehen, wer sich hinter welcher Nummer verbirgt – dann ist die Pseudonymisierung aber kein Schutz mehr und ich kann gleich meinen bürgerlichen Namen ins Profil schreiben.

Politische Abstimmungen müssen in der Regel auch noch nach Jahren nachvollziehbar bleiben – damit führt Liquid Democracy automatisch nicht nur zu einer deutlichen Reduktion des Wahlgeheimnis, sondern auch noch zur “Voratsdatenspreicherung” des personenbezogenen Abstimmungsverhaltens – für die Aluhüte der Show-Stopper; ohne Frage.

On some positions, Cowardice asks the question, “Is it safe?” Expediency asks the question, “Is it politic?” And Vanity comes along and asks the question, “Is it popular?” But Conscience asks the question “Is it right?” And there comes a time when one must take a position that is neither safe, nor politic, nor popular, but he must do it because Conscience tells him it is right. I believe today that there is a need for all people of good will to come together with a massive act of conscience and say in the words of the old Negro spiritual, “We ain’t goin’ study war no more.” This is the challenge facing modern man.
Martin Luther King Jr.

Wir sind die Mitmachpartei. Die Freiheit von Überwachung und die Sicherheit der Privatsphäre, die wir für alle Menschen durchsetzen wollen, können wir für uns selbst nicht einfordern. Zu diesem unangenehmen Schluss bin ich gekommen.

Wenn wir die Gesellschaft verändern wollen, Transparenz und Offenheit als erstrebenswertes Gut zu sehen, müssen wir selbst bedingungslos danach leben und handeln. Nur wenn wir uns selbst als Avantgarde verstehen, bereit sind, unsere eigene Angst zu überwinden und das Opfer zu bringen, unser politisches Handeln und damit unsere politsche Überzeugung offen zu legen, werden wir unser Ziel erreichen – there ain’t no easy way out.

I submit to you that if a man has not discovered something that he will die for, he isn’t fit to live.
Martin Luther King Jr.

Mein Text klingt hier vielleicht melodramatisch – aber es ist in der Tat ganz ernst: es ist nicht auszuschließen – ja ich denke sogar, es ist nicht unwahrscheinlich, dass irgendwann in Zukunft oder irgendwo auf der Welt unser politisches Handeln als Verbrechen gesehen wird. Für nicht wenige Leute ist heute die Mitgliedschaft in der Piratenpartei nicht mit dem Beruf vereinbar – dramatische Beispiele sind mir persönlich bekannt.

Nicht-repräsentative Demokratie – und das ist Basisdemokratie, wenn wir sie nicht einfach auf Meinungsumfragen und Voksentscheide reduzieren wollen – ist eben präsentativ, lebt vom direkt sichtbaren, politischen Handeln.

Wenn wir diese Form von Politik wollen, müssen wir bereit sein, unser Opfer zu bringen. Wie die Suffragetten vor hundert Jahren, die Schwarzen in Amerika, in den 60ern oder die Homosexuellen (bis heute) – wer als erster die Stimme ergreift und Rechte durchsetzen will, muss sich heraus wagen. Aber: je offener wir gemeinsam handeln, desto geringer wird der Spielraum, einen Einzelnen herauszupicken und zu drangsalieren.

Lasst uns also zusammenstehen, die Aluhüte wegpacken und gemeinsam für eine offene und freie politische Kultur kämpfen!


See our numbers still increasing.
Hear the bugles blow.
By our union, we shall triumph
Over every foe.
Fierce and long the battle rages,
But we shall not fear.
Help will come whenever needed.
Cheer, my comrades, cheer.
Billy Bragg

(danke an @ennopark, @denial0fservice und @snougata für die Inspiration)

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Als ich ein Kind war, tat ich wie ein Kind.

2012-04-29 10:08:53
GO-Antrag auf Meinungsbild: Ob die Orga- und Versammlungsleitung für die gute Arbeit einen Gutenmorgenflausch verdient hat.
2012-04-29 10:09:14
Versammlungsleiter: Ich möchte der Versammlung mitteilen, dass der Orga und der Versammlungsleitung vor lauter Flausch ein Fell wächst.
Protokoll zum 1. Bundesparteitag der Piratenpartei 2012

Ein Erwachsener ist mündig, das heißt, er spricht für sich selbst, tritt für sich ein, übernimmt Verantwortung. Aber nach einiger Zeit tritt Ernüchterung ein – man erkennt, dass man doch nicht alles schaffen kann, was man sich erträumt hatte. Erwachsene gehen zur Arbeit, auf Twitter klagen sie, wenn es Montag ist – sie sind müde, weil sie Sonntag Abend nach dem Tatort auch noch den langweiligen Polit-Talk im Fernsehen angeschaut haben.

Und Politik muss offenbar genauso langweilig und nüchtern ablaufen, wie der typische Sonntag Abend, sonst ist sie nicht erwachsen, sondern infantil. “Wer glaubt, dass aus der Piratenpartei eine Inspiration oder Erneuerung der Parteiendemokratie erwüchse, muss mit dem Klammerbeutel gepudert sein.” schreibt die Welt; der Vorwurf: die Piratenpartei sei ein infantiler Haufen. Gerade das Kindische scheint für manchen das Bedrohliche an den Piraten. “Manche Ideen sind kindisch (Hochschulabschluss für alle), manche hanebüchen (weg mit geistigem Eigentum!)” ereifert sich das Handelsblatt entsprechend.

Ich glaube, diese Beobachtung ist richtig. Es gibt heute sehr viele “Erwachsene”, die sich unwohl im Bierernst der Erwachsenenkultur fühlen.

Kinder zerlegen Dinge in ihre Einzelteile. In einem bestimmten Alter stellen Kinder solange die Frage “Warum?” bis selbst der erfahrenste Dialektiker keine Antwort mehr kennt. Ich baue gerne mit Lego. Deshalb mag ich Minecraft und habe für die Firma einen 3-D-Drucker angeschafft. Ich kenne viele Leute in meinem Alter, denen es ähnlich geht. Programmieren hat für mich viel Ähnlichkeit mit dieser kindlichen Freude an analysieren und wieder aufbauen.

Kinder spielen gerne mit ihrer Identität. Von Erwachsenen erwartet man, dass sie nur noch eine Rolle spielen; erwachsenes Verhalten muss konsistent bleiben; es geht um Wiedererkennbarkeit und Berechenbarkeit. Auf der anderen Seite gibt es viele Menschen, die den Wunsch haben, ihre Identität selbst zu bestimmen und gegebenenfalls auch zu ändern. Das beginnt mit Autonymität – sich seinen Namen selbst geben zu dürfen. Aber letztlich geht es darum, uns selbst zu formen, wie den Avatar unserer Netz-Identität. Dieser Wunsch wird von den Ernüchterten als Kinderei abgetan oder sogar für gefährlich gehalten.

How can children grow up in a world in which adults idolize youthfulness? McLuhan

Der faszinierende Widerspruch zwischen den infantilen Erwachsenen und dem ansonsten herrschenden Kult der Jugendlichkeit ist, dass es uns nicht darum geht, das körperliche Altern zu leugnen. Das Kindliche ist etwas völlig anderes, als Jugendlichkeit.

Auch auf diesem Bundesparteitag der Piraten haben sich wieder lauter Leute auf Vorstandsämter beworben, die so gar nicht politisch geschliffen wirken. Der Versammlungsleiter ist mit einem Prinzessinen-Diadem im ZDF zu sehen und mittelalte Männer vertreiben Kinder aus dem Bällebad.

Vielleicht ist infantile Politik sogar das stärkste Versprechen, dass die Piratenpartei den Wählern macht. Das Wählerpotenzial, das von dieser politischen Kultur angesprochen wird, ist riesig – ich denke, es geht um mehr als 30 Prozent.

Ich hoffe, dass diese infantile politische Kultur sich weiter durchsetzt, damit auch die politische Geschäftsführung anderer Parteien auf übellaunige, bösartige Presseanfragen mit ROFLCOPTER GTFO antworten können.

Weiterlesen:
Die Lebensalter
Declaration of Liquid Culture

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Piratenpartei

There must be a beginning of any great matter, but the continuing unto the end until it be thoroughly finished yields the true glory.Francis Drake

Ich bin froh, dass ich Mitglied der Piratenpartei bin. Wenn ich es nicht schon wäre, würde ich heute eintreten. Das ist mir beim Lesen des Handelsblattes klar geworden, wie schon lange nicht mehr.

“Mein Kopf gehört mir” – unter diesem Titel geben hundert “Schriftsteller, Sänger, Künstler, Werber, Softwareentwickler und Unternehmer” im Handelsblatt ihre Gründe an, warum sie glauben, dass die Piratenpartei ihr Gegner sei, uns zwar wegen der “Umsonstkultur im Internet”.

Goethe als Abziehbild vorne drauf. Der Titel, der sich auf “Mein Bauch gehört mir” bezieht, ist ein ekelergegendes Spiel, mit dem die Not und die ethischen Konflikte von Frauen vor einer Abtreibung ins Lächerliche gezogen werden. Ich möchte gar nicht weiter auf diesen menschenverachtenden Zynismus eingehen, aber er spricht Bände über den verkommenen Seelenzustand der Verfasser dieses Textes. Dabei kenne ich nicht wenige der hundert Leute persönlich, die da im Handelsblatt gegen die Piratenpartei polemisieren, mit einigen hatte ich auch geschäftlich zu tun.

Ich arbeite seit fünfzehen Jahren für die Werbewirtschaft und die privaten Medien – und zwar überzeugt. Umso trauriger macht es mich, dass meine Branche offenbar so wenig anpassungsfähig ist. Schade, dass weder Google, noch Facebook, weder Twitter noch Spotify, weder Instagr.am noch git.hub von einem Medienunternehmen erfunden wurden. Aber das sind die Orte, an denen heute unsere Kultur geschöpft wird, die ‘Kostenloskultur’, wie sie von den Angestellten und Krämern der Kulturindustrie geschmäht wird.

Ich halte mich für einen politischen Menschen. Und ich hatte es dennoch nie geschafft, mich in einer politischen Partei zu engagieren. Die Parteien, wie sie waren, empfand ich als eng und wenig durchlässig.

Durch das repräsentative System findet dort politsche Arbeit praktisch nur per Delegation statt, über Kreis- und Bundesdelegierte, per Vertretung durch Referenten, durch Experten in der Parteizentrale. Und auf Parteitagen stimmen dann die Kreisdelegierten über die vorbereiteten Entwürfe ab.

Politik hat für die bestehenden Parteien offenbar auch das ausschließliche Ziel, an die Regierungsmacht zu gelangen – Koalitionen werden um jeden Preis geschlossen, die innersten Werte der Parteien auf dem Altar der Macht geopfert. Seit der Regierung Schröder sind die Grünen daher für mich unwählbar geworden.

Und schließlich: die Programme der bestehenden Parteien spiegeln meine Lebenswirklichkeit nicht wieder. Die Dinge die mir wichtig sind, finde ich dort nicht. Im Gegenteil – meine Kultur wird offenbar als Bedrohung empfunden, was ich als meine Bürgerrechte sehe, ist für die andern nur “Rechtsfreier Raum”, der natürlich genauso zusammengestutzt werden muss, wie die spießigen Vorgärten, für die mein Land weltweit berühmt ist. Gartenzwergkultur.

Was mich an der politischen Theorie der Piratenpartei fasziniert, habe ich oft gepostet. Seit einigen Monaten möchte ich erleben, wie daraus Praxis wird.

Ich möchte unserer Gesellschaft helfen, die anstehenden Veränderungen ohne große Schäden zu überstehen. Und ich habe auch die Hoffnung für meine Branche noch nicht verloren, die Medien und Werbung.

Deshalb habe ich mich entschlossen, dem Kommando “Klarmachen zum ändern” zu folgen.
Deshalb bin ich Mitglied in der Piratenpartei.

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SPEAK WITH US, NOT FOR US.

Direkte Demokratie: präsentieren statt repräsentiert werden.

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Urheberrecht, Kulturproduktion, Grundeinkommen

“Sinn und Zweck des Urheberrechts ist die Sicherstellung von ökonomischen und ideellen Anreizen zur kreativen Arbeit.” Dieser Satz aus dem Antrag “Für ein modernes Urheberrecht” auf dem Bundesparteitag der Piratenpartei beschreibt in der Tat den ursprünglichen Gedanken, in dem das erste Copyright 1709 mit der Statute of Anne in England Gesetz wurde:

“An Act for the Encouragement of Learning, by vesting the Copies of Printed Books in the Authors or purchasers of such Copies, during the Times therein mentioned“

.

Über die Folgen, die der Zerfall der Urheberrechts-Verwertung auf Kreativität und Kulturproduktion hat, habe ich schon ein paar mal geblogt (“Non Commodity Production” oder “Virtueller Rundfunk“). Kunstproduktion funktioniert seit zweihundert Jahren in der spannungsreichen Symbiose von “Künstler-Unternehmern” einerseits und Verlagen/Galerien andererseits. Beiden Seiten garantiert das System ihr wirtschaftliches Auskommen – sofern es sich um professionelle Künstler handelt. Professionell ist dabei ein Zirkel-Begriff, da berufsmäßiges Künstlertum genau dadurch definiert wird, dass der Künstler einen Markt hat. Neben bzw. über dem Markt steht ein System der Kunstförderung mit staatlichen Mitteln. Dieses System funktioniert genau wie wir es auch von der Finanzierung von Wissenschaft kennen: Gremien verteilen die Gelder, die man über einen Ausschreibungsprozess für sein Projekt beantragt.

Ob Wissenschaft oder Kunst – ich habe in meinem Leben keine unproduktivere und unkreativere Arbeit gemacht, als Gelder über diesen Prozess öffentlicher Förderung zu beantragen. Für ein Projekt mit zwei Jahren Laufzeit kann man üblicher Weise von 12 bis zu 18 Monate intensiver Antragsarbeit veranschlagen. Dadurch werden diejenigen systematisch bevorzugt, die über eine Infrastruktur zur Bewältigung der anspruchsvollen juristischen und inhaltlichen Logistik des Antragsprozesses verfügen: Künstler bzw. Wissenschaftler, die vorher schon erfolgreich waren oder die an Universitäten und Akademien den wissenschaftlichen Mittelbau dafür ausbeutennützen können. (Auch darüber habe ich hier schonmal geschrieben.) Meist sind die Mittel noch an Kriterien gebunden, die politisch und nicht inhaltlich motiviert sind. Ein Beispiel sind die Staatsgemäldesammlungen, die mit ihrem Etat streng Künstler aus allen Regionen eines Bundeslandes gleichmäßig ankaufen müssen; ein zweites Beispiel sind Mittel der EU-Kommission, die nur genemigt werden, wenn Institute aus mindestens drei EU-Ländern sich beteiligen.

Aber der Hauptnachteil dieser subventionierten Künste und Wissenschaften ist: es gewinnt immer das Mittelmaß; Innovation, wirklich umwälzende Neuheit hat so gut wie keine Chance auf Förderung. So waren es so gut wie nie die verbeamteten Kuratoren der staatlichen Museen, die wirklich signifikante Sammlungen angelegt hatten – das sind so gut wie immer private Sammler.

***

Während das alte Verwertungssystem zerfällt, erhebt sich gleichzeitig etwas Neues: die Mittel zur Kreativ-Produktion und Veröffentlichung stehen mehr und mehr Menschen zu immer geringeren Kosten bereit. Gleichzeitig steht praktisch alles, was erzeugt wird und wurde, allen jederzeit zur Verfügung. Durch diese beiden parallelen Entwicklungen – ‘jeder ein Künstler’ und ‘alles schonmal dagewesen’ wird die Schöpfungshöhe relativiert, aus der sich im bisherigen Verständnis die Schutzfähigkeit von geistigen Leistungen ableitet. (Was daraus für die Kreativberufe folgt, steht z. B. hier). Kreative Arbeit wird von viel mehr Menschen geleistet, als je zuvor. Aber es sind nicht mehr notwendiger Weise die ‘großen Würfe’. Das heutige Finanzierungssystem ist nicht darauf ausgelegt.

Wie in vielen Bereichen, ist auch bei der Subventionierung von Wissenschaft und Kunst unser Staatswesen darauf gebaut, die Menschen zu repräsentieren, das heißt einzuschließen, zu umschließen, zu homogenisieren. Und selbst der sogenannte Minderheitenschutz und das Pluralitätsgebot gehen davon aus, dass man die Menschen innerhalb dieser Minderheiten bzw. Teilmengen der Gesellschaft zusammenfassen kann. ‘Wir wissen, was gut für euch ist’ – so funktioniert das repräsentative System. Es ist autoritär, selbst wenn die Repräsentaten gewählt werden. Vieles in unserer Gesellschaft funktioniert nach diesem Prinzip, ob es die vielbeschriebene “Gate-Keeper”-Funktion journalistischer Redaktionen ist, ob kommunale Ausschüsse für “Kunst im Öffentlichen Raum” oder die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG.

Netzkultur jedoch sperrt sich gegen das Repräsentiert-Werden. Das liegt daran, dass sich im Netz jeder selbst präsentieren kann. Ein auf Repräsentation fußendes Finanzierungsmodell wie die heutigen Subventionen ist damit genauso ungeeignet, wie der auf signifikante Schöpfungshöhe basierende Schutz geistiger Leistung.

***

Das Recht der Menschen auf Sozialhilfe leitet sich in Deutschland aus dem Artikel 1 des Grundgesetzes ab. Mit der Sozialhilfe muss die Gesellschaft allen Menschen im Land ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Es steht also nicht zur Diskussion, ob unsere Gesellschaft auch für die Menschen sorgt, die – warum auch immer – aus dem wirtschaftlichen Raster fallen. Aber Sozialhilfe wird – genau wie die Gelder für Wissenschaft und Kunst – auf Grundlage des repräsentativen Systems verteilt. Menschen müssen sich qualifizieren, müssen sich als geeignet erweisen, um die Hilfe zu erhalten – was im Kern schon gegen den Gedanken einer allgemeinen Sicherung der Würde verstößt. Nicht zuletzt aufgrund der entwürdigenden Schikanen, die bedürftigen Menschen durch Hartz-IV aufgezwungen werden, um zu überleben, und die daraus folgende Finanzierung eines Molochs an staatlichem Verwaltungs- und Überwachungsapparat, wird schon länger die Alternative eines bedingungslosen Grundeinkommen diskutiert: die Zahlung eines Grundbetrags von Geld an jedermann, unabhängig, ob sich der Empfänger dafür als geeignet bewiesen hat, oder nicht.

Ich möchte aber hier gar nicht auf die schwierige und hochgradig ideologisch aufgeladene Debatte des Für und Wider des bedingungslosen Grundeinkommen eingehen. Mir geht es um eine Nebenwirkung, die ein solches Angebot für unsere Gesellschaft haben könnte: das bedingungslose Grundeinkommen wäre gleichzeitig die Grundfinanzierung für kreative Innovation. Für fast alle Künstler, Wissenschaftler und auch für viele der Unternehmensgründer, die ich kenne, wäre eine Existenzsicherung durch ein bedigungsloses Grundeinkommen eine enorme Erleichterung, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen. Und auch das sogenannte Übergangsgeld, welches Arbeitnehmern gezahlt wird, die ein eigenes Geschäft aufbauen wollen, wäre nicht mehr daran gebunden, dass deren Arbeitsplatz erst wegfällt. Es geht mir also um eine Alternative zum System der Subventionen einerseits und einer grundsätlichen Sicherstellung der Existenz, die den Einzelnen in die Lage versetzt, selbständig zu arbeiten.

Die Umstellung der kreativen, kulturellen Produktion vom repräsentativen System von heute, auf ein System, dass es die Präsentation des Einzelnen fördert, muss neben der Grundfinanzierung der Menschen ein Zweites sicherstellen: diskriminierungsfreien Zugang zu den Produktionsmitteln – und das sind heute vor allem die Plattformen zur Publikation, die CDNs, die in Wahrheit ‘Netzneutralität’ bedeuten und schließlich zu den Suchmaschinen, die die Produkte erst für andere sichtbar machen. Dieser zweite Aspekt sollte mit dem ersten komplementär durchdacht werden.

Die Rede vom “Diskutieren ohne Scheuklappen” wird meist von Leuten eingesetzt, um Abscheulichkeiten und Grausamkeiten in die Runde zu werfen und so den Boden für einen Kompromis zu ihren Gunsten zu erreichen. Im Fall des bedingungslosen Grundeinkommen stehen wir erst am Anfang der Diskussion. Weiten Teilen der Gesellschaft scheint es vollkommen undenkbar, einfach Geld ohne Bedingungen zu verteilen. Ich bin aber überzeugt, dass ein bedinungslose Grundeinkommen genau die Form ist, staatliche Sicherheit und Förderung vom autoritären, umschließenden “Vater Staat” auf die Netzkultur zu transformieren, die doch so ganz und gar auf Ermächtigung es einzelnen Menschen ausgerichtet ist.

Nachsatz

Der Grundgedanke von der Repräsentation durch den Staat im Gegensatz zur Präsentation des Einzelnen findet sich an einigen Stellen bei Alain Badiou (u.a. in “Das Sein und das Ereignis”). Badiou überträgt die aus der Mengenlehre entlehnten Begriffe vom “Einschließen”, “Zugehören” auf seine Ontologie und findet interessante Anknüpfungspunkte zur Dialektik von Öffentlichkeit/Privatheit bzw. Ökonomie und Politik bei Aristoteles und Marx/Engels. Ich habe leider bisher niemand gefunden, der diese Gedanken auf eine “post-demokratische” Gesellschaft und Netzkultur überträgt. Auch Badiou entfaltet nicht explizit eine politische Theorie aus seinen Überlegungen, sondern verharrt – verständlicher Weise – im Gegensatz von Kapitalisus/Kommunismus seiner Zeit. Gerne möchte ich an diesem Punkt weitermachen. Falls als jemand passende Quellen kennt, wäre ich dankbar für einen Hinweis!

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