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Alles fließt.

“mehr als verdoppelt. SUPER, zittern fuer rot-gruen. Wenn es nicht klappt haben es linken- und piratenwaehler vermasselt.” (Volker Beck)

“Was hat es mit den Parteien, dass sie sich aufführen, wie Fußballmannschaften, die gegen einander gewinnen wollen? (Medien auch so.)” (Marina Weisband)

“Wobei die Umstellung auf fließende Themenbündnisse ein gewaltiger Schritt innerhalb der bestehenden Parteiendemokratie wäre” (Boris Turovskiy)

Heute haben in ganz Deutschland mehr als hunderttausend Menschen gegen ACTA, das “Anti-Counterfeiting Trade Agreement” demonstriert. Für die Vertreter der etablierten Parteien scheint die Auflehnung so vieler der Bürger gegen die sogennante “Netzpolitik” wie ein Schock und in dieser Form völlig unerwartet gekommen zu sein. Meine Timeline ist voll von Zitaten, die dies nahelegen.

Jetzt geht der Politik endgültig der Arsch auf Grundeis. #acta #digitaleöffentlichkeit (@holadiho)

Das glaube ich auch. Und ich bin teile die Einschätzung von Till Westermayer über seine Partei, wenn er seufzt:

Und die Frage, was wir – Grüne, als “etablierte” Partei – diesen politisierten Jugendlichem anbieten können. Anders gesagt: fühle mich alt.

Ich will gar nicht anfangen zu lamentieren, wie sich die Grünen aus ihrer reflexhaften Technologiefeindlichkeit befreien könnten. “Programmcodes und Algorithmen, die Basis des digitalen Fortschritts” – schon beim Versuch, den Beschluss der Bundesdelegiertenversammlung “Offenheit, Freiheit, Teilhabe” vom November 2011 bleibe ich vor lauter postmodernem Kopfschütteln in den Phrasen stecken.

Auch mein stärker werdendes Gefühl von Opportunismus bei den Grünen, bei Netz-Themen einfach schnell noch aufzuspringen, möchte ich hier nicht vertiefen, auch wenn eine Grüne Landesregierung, die keinerlei Bedenken gegen den Einsatz von Trojanern hegt, den ACTA-Aktionen der Grünen zumindest ein Fragezeichen mitgeben. Zu den Grünen und ihrem Umgang mit den “Kindern der digitalen Revolution” empfehle ich Till Westermayers Post.

Demmokratie – darum geht es.

Dass es bei “Netzpolitik” oder “Digitalkultur” (was auch immer das eigentlich sein soll) einen Konflikt zwischen “etablierten” und “nicht-etablierten” gibt, ist nur ein Symptom für eine wesentlich tiefer gehende Unzufriedenheit.

Politische Arbeit in unserer repräsentativen Demokratie scheint sich nämlich irgendwie kaum vom Engagement in irgendwelchen anderen Vereinen zu unterscheiden. Statt sich der Themen anzunehmen, ist es zunächst wichtig, zu gewinnen, und zwar die jeweilige Wahl. Danach muss das Parteiprogramm und am Ende auch noch ein Koalitionsvertrag durchgehalten werden, da sich aus Sicht der Wähler nur an der Programmtreue messen lässt, ob die Partei auch tatsächlich das präsentiert, für was ich sie mit meiner Stimme zur Repräsentation beauftragt habe. Wenn die etablierten Parteien mehr “direkter Demokratie” fordern, so meinen sie damit in der Regel höchstens Volksabstimmung über vorgelegte Gesetzesentwürfe.

Die Willensbildung der Piratenpartei unterscheidet sich davon radikal. Jeder, auch ein Parteifremder, kann Vorschläge einbringen, die vollkommen offen diskutiert werden. Abstimmung, welcher Antrag angenommen werden soll, findet ebenfalls ohne Repräsentation direkt statt. Im System der Liquid Democracy werden also Menschen nicht zusammengefasst durch einen Vertreter repräsentiert, sondern jeder präsentiert sich selbst bzw. delegiert seine Stimme an einen anderen Wahlberechtigten, dem er das Urteil zutraut. Dieses Delegieren ist gilt fallweise und nicht pauschal; derjenige, dem ich meine Stimme übertrage, vertritt mich nicht dauerhaft.

Völlig logisch, dass auch in der parlamentarischen Arbeit keine Parteidisziplin oder kein Fraktionszwang durchzuhalten ist, sondern dass die Abgeordneten fallweise mal dem einen mal dem anderen Zustimmen werden, nicht aber aus der Raison eines Koalitionsvertrages, sondern ausschließlich nach dem Auftrag der Basis.

Ganz in diesem Sinne steht auch die Forderung, die Christoph Lauer im Berliner Abgeordnetenhaus gestellt hat: Schluss mit den Referentenentwürfen. Gesetze, die in der Verwaltung vorbereitet und im Parlament nur noch zur Abstimmung vorgelegt werden, sind selbstverständlich so ziemlich das Gegenteil von Liquid Democracy.

Und da ich nicht glaube, dass die etablierten Parteien diesen Schritt zu einer nicht mehr ganz so repräsentativen Demokratie mitgehen können, wird es ihnen mit allen Versuchen, sich an die “Netzkultur” anzubiedern, vielleicht nicht gelingen, die wirklich Unzufriedenen wieder einzufangen – denn denen geht es um weit mehr, als um kostenlose Downloads.

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Walter Benjamin: Über den Begriff der Geschichte. IX

“Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muß so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einizige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfügen. Aber ein Sturm weht vom Paradise her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, daß der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.”
(Walter Benjamin, 1892-1940).

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Politik als Co-Creation

Jeder kennt das: man kauft ein Produkt und sofort fällt einem auf, was daran nicht so ganz 100% gut ist – oft Kleinigkeiten, bei denen man denkt: es wäre doch so einfach zu beheben! Problem: die Firma wird es in der Regel nie erfahren. Man könnte anrufen oder schreiben – aber in der Regel ist die Produktion schon so festgelegt – die Maschinen eingerichtet, die Werkstoffe eingekauft, dass kurzfristig selbst gravierende Schwächen nicht mehr auszugleichen sind.

Wie bekommt man das verteilte Wissen der Kunden ins Unternehmen? Und zwar rechtzeitig, schon bei der Entwicklung eines neuen Produkts? In vergangenen Zeiten hätte man Marktforschung gemacht. Man hätte sich einen Fragebogen ausgedacht, den potenziellen Kunden einen “Prototypen” gezeigt oder eine Gruppendiskussion geführt. Aber die Teilnehmer an der Forschung wären immer nur zufällig ausgewählt gewesen, irgendwelche Leute. Alternativ hätte man Berater oder Experten beauftragt, ein Gutachten zu erstellen, ob das neue Produkt tatsächlich den erwarteten Erfolg zeigen würde.

Co-Creation geht einen anderen Weg. Man beginnt mit einer sorgfälltigen Recherche im Netz, vor allem in Foren und anderen Social Media, welche Gespräche vielleicht schon über das betreffende Thema geführt werden. Dabei lernt man bereits viel über den “Stand der Technik” – aber vor allem: man findet wirkliche Experten, Menschen, die sich leidenschaftlich und vielleicht schon lange mit den Themen auseinandersetzen. Im nächsten Schritt schafft man eine Plattform, auf der die Menschen, die sich für das Thema interessieren, an der Entwicklung des neuen Produktes direkt beteiligen können. Experten oder Meinungsführer, die einem besonders wichtig sind, kann man explizit einladen, sich zu beteiligen. Statt also, wie früher, einen Prototypen im Labor zu entwickeln, dann Marktforschung zu machen und – mehr oder weniger auf gut Glück – das Produkt in den Markt zu werfen, hat man mit Co-Creation von anfang an die späteren Kunden an der Entwicklung beteiligt. Das Produkt entspricht genau ihren Bedürfnissen und alles mögliche Expertenwissen konnte in die Entwicklung einbezogen werden.

Klingt vielleicht Theoretisch? Viele der größten Unternehmen setzen seit Jahren Co-Creation zur Produktentwicklung ein.

Politik wird von Volksvertretern gemacht. Die sollen Entscheidungen treffen, die von Beamten in den Fach-Ministerien zusammen mit Experten aus Lobbygruppenn und Verbänden vorbereitet werden. Ob die Wähler mit der Entscheidung zufrieden sein werden, wird über Fragebögen erforscht. Diese Experten-Herrschaft, die Tatsache, dass die Abgeordneten eigentlich nur noch fertige Vorlagen abnicken, wird häufig kritisiert; zu recht! All das Wissen, all die Leidenschaft mit der sich viele Menschen mit den Themen auseinandersetzen, bleibt ungehört. Der Vorwurf, diese Experten-Politik sei zu weit von den Menschen entfernt, lässt sich nur schwer entkräften.

Warum also nicht Politik als Co-Creation betreiben? Die Einführung partizipativer Plattformen wie Adhocracy oder Liquid Feedback sind erste Schritte. Allerdings ist der Wissenstransfer in diesen Plattformen nicht das vorrangige Ziel, sondern die Unterstützung kollektiver Entscheidungsfindung. Warum also nicht den nächsten Schritt und auch das verteilte Expertenwissen der Menschen systematisch einbeziehen?

Die Hyve AG, spezialisiert auf co-Creation hat unlängst eine Abteilung ‘Open Government’ gegründet, die u.a. für die Bayerische Staatsregierung arbeitet. Jetzt sollte es darum gehen, kollektive Entscheidungsfindung und Co-Creation zusammenzufahren. Dann haben wir Politik 2.0.

Mehr zum Thema:

SPEAK WITH US NOT FOR US
Disrupt Politics!

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Höchste Zeit für verteilte Netze

I heard SOPA was going to break the internet so just did a *Save As* and put in on @dropbox. (seriously, get involved people)

Schnell noch ein Back-up für das Internet. Natürlich ist das ein absurder Vorschlag und – was brächte das schon? Das Netz besteht ja viel weniger aus den Inhalten als aus den Interaktionen und Verknüpfungen, aus der Kommunikation.

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Wikipedia ist mehr als eine Enzyklopädie

Wikipedia ist eine sehr nützliche Sache. Selbst hartnäckige Internet-Skeptiker sind in der Regel schnell von der Qualität und Inhaltsfülle überzeugt. Dabei ist der interessanteste Aspekt der Wikipedia für mich nicht, dass darin alles mögliche an Wissen gesammelt steht, sondern, wie es hineinkommt.

Jeder, der schonmal einen Artikel angelegt hat, weiß, wie es abläuft, etwas beizutragen. Du schreibst, und spätestens fünf Minuten später entbrennt eine heftige Diskussion, ob das überhaupt relevant genug für die Wikipedia sei. Oft zieht sich die “Löschdiskussion” über die vollen sieben Tage hin, die als Frist für eine Entscheidung gesetzt sind. Oft ist der Ton bis ans hysterische emotional und sogar beleidigend – auf beiden Seiten. Und dann: schließlich gibt es eine Lösung, einen zeitweiligen Konsens. Der Artikel bleibt oder wird gelöscht. Ist das Lemma, das Thema des Artikels grundsätzlich als relevant akzeptiert, läuft die Diskussion – meist weniger dramatisch – nochmals ab, wenn es darum geht, welche Aspekte zu einem Artikel gehören und welche nicht.

Ich habe oft über die schrecklichen Umgangsformen und die diskursive Dominanz einzelner auf Wikipedia geschimpft. Inzwischen bin ich überzeugt, dass es eine derartig starke Tendenz zur Selbstorganisation gibt, dass diese Probleme überwunden werden. Die Löschtrolle sorgen jedenfalls für ein “Survival of the fittest” – nur Artikel mit unbedingtem Überlebenswillen, werden ihre Meme an die nächste Generation vererben.

Es geht um Wahrheit. Es geht darum, was in der Gemeinschaft der Wikipedianer als Wahrheit akzeptiert wird. Wahrheit und nicht Meinung.

Damit ist Wikipedia ein interessantes Modell für eine neue Form Politik. Unter Politik verstehen wir heute das aushandeln von Kompromissen zwischen unterschiedlichen Meinungen. Bei Wikipedia geht es nicht um Kompromisse, sondern um Konsens. Es gibt kein “dealen” – kein “lässt du meinen Artikel stehen, lösch ich deinen auch nicht.” – Die Diskussionen bei Wikipedia sind deshalb so anstrengend, weil es sich um ein “Ringen um Wahrheit” handelt. (Bäh, dieser Jargon der Eigentlichkeit, aber hier passt er imo).

Politik als Wahrheitsprozess scheint uns nicht möglich. Wie sollten die vielen unterschiedlichen Meindungen der Wähler zu einem “Allgemeinen Willen” zusammengefasst werden, außer über Kompromisse? Aber vielleicht gab es bisher nur kein System, keine Struktur, in der eine Politik der Wahrheit möglich gewesen wäre.

Ich glaube, dass ein “politisches Wikipedia” gute Chancen hat, Politik neu zu erfinden. Deshalb glaube ich an den Erfolg von Liquid Democracy.

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“Keinen Beschluss”

Die Fraktion hat keinen Beschluss für oder gegen esoterisches Heilertum. Die Fraktion lehnt Germanische neue Medizin ab. (piratenfraktion-berlin.de)

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SPEAK WITH US, NOT FOR US.

Direkte Demokratie: präsentieren statt repräsentiert werden.

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Urheberrecht, Kulturproduktion, Grundeinkommen

“Sinn und Zweck des Urheberrechts ist die Sicherstellung von ökonomischen und ideellen Anreizen zur kreativen Arbeit.” Dieser Satz aus dem Antrag “Für ein modernes Urheberrecht” auf dem Bundesparteitag der Piratenpartei beschreibt in der Tat den ursprünglichen Gedanken, in dem das erste Copyright 1709 mit der Statute of Anne in England Gesetz wurde:

“An Act for the Encouragement of Learning, by vesting the Copies of Printed Books in the Authors or purchasers of such Copies, during the Times therein mentioned“

.

Über die Folgen, die der Zerfall der Urheberrechts-Verwertung auf Kreativität und Kulturproduktion hat, habe ich schon ein paar mal geblogt (“Non Commodity Production” oder “Virtueller Rundfunk“). Kunstproduktion funktioniert seit zweihundert Jahren in der spannungsreichen Symbiose von “Künstler-Unternehmern” einerseits und Verlagen/Galerien andererseits. Beiden Seiten garantiert das System ihr wirtschaftliches Auskommen – sofern es sich um professionelle Künstler handelt. Professionell ist dabei ein Zirkel-Begriff, da berufsmäßiges Künstlertum genau dadurch definiert wird, dass der Künstler einen Markt hat. Neben bzw. über dem Markt steht ein System der Kunstförderung mit staatlichen Mitteln. Dieses System funktioniert genau wie wir es auch von der Finanzierung von Wissenschaft kennen: Gremien verteilen die Gelder, die man über einen Ausschreibungsprozess für sein Projekt beantragt.

Ob Wissenschaft oder Kunst – ich habe in meinem Leben keine unproduktivere und unkreativere Arbeit gemacht, als Gelder über diesen Prozess öffentlicher Förderung zu beantragen. Für ein Projekt mit zwei Jahren Laufzeit kann man üblicher Weise von 12 bis zu 18 Monate intensiver Antragsarbeit veranschlagen. Dadurch werden diejenigen systematisch bevorzugt, die über eine Infrastruktur zur Bewältigung der anspruchsvollen juristischen und inhaltlichen Logistik des Antragsprozesses verfügen: Künstler bzw. Wissenschaftler, die vorher schon erfolgreich waren oder die an Universitäten und Akademien den wissenschaftlichen Mittelbau dafür ausbeutennützen können. (Auch darüber habe ich hier schonmal geschrieben.) Meist sind die Mittel noch an Kriterien gebunden, die politisch und nicht inhaltlich motiviert sind. Ein Beispiel sind die Staatsgemäldesammlungen, die mit ihrem Etat streng Künstler aus allen Regionen eines Bundeslandes gleichmäßig ankaufen müssen; ein zweites Beispiel sind Mittel der EU-Kommission, die nur genemigt werden, wenn Institute aus mindestens drei EU-Ländern sich beteiligen.

Aber der Hauptnachteil dieser subventionierten Künste und Wissenschaften ist: es gewinnt immer das Mittelmaß; Innovation, wirklich umwälzende Neuheit hat so gut wie keine Chance auf Förderung. So waren es so gut wie nie die verbeamteten Kuratoren der staatlichen Museen, die wirklich signifikante Sammlungen angelegt hatten – das sind so gut wie immer private Sammler.

***

Während das alte Verwertungssystem zerfällt, erhebt sich gleichzeitig etwas Neues: die Mittel zur Kreativ-Produktion und Veröffentlichung stehen mehr und mehr Menschen zu immer geringeren Kosten bereit. Gleichzeitig steht praktisch alles, was erzeugt wird und wurde, allen jederzeit zur Verfügung. Durch diese beiden parallelen Entwicklungen – ‘jeder ein Künstler’ und ‘alles schonmal dagewesen’ wird die Schöpfungshöhe relativiert, aus der sich im bisherigen Verständnis die Schutzfähigkeit von geistigen Leistungen ableitet. (Was daraus für die Kreativberufe folgt, steht z. B. hier). Kreative Arbeit wird von viel mehr Menschen geleistet, als je zuvor. Aber es sind nicht mehr notwendiger Weise die ‘großen Würfe’. Das heutige Finanzierungssystem ist nicht darauf ausgelegt.

Wie in vielen Bereichen, ist auch bei der Subventionierung von Wissenschaft und Kunst unser Staatswesen darauf gebaut, die Menschen zu repräsentieren, das heißt einzuschließen, zu umschließen, zu homogenisieren. Und selbst der sogenannte Minderheitenschutz und das Pluralitätsgebot gehen davon aus, dass man die Menschen innerhalb dieser Minderheiten bzw. Teilmengen der Gesellschaft zusammenfassen kann. ‘Wir wissen, was gut für euch ist’ – so funktioniert das repräsentative System. Es ist autoritär, selbst wenn die Repräsentaten gewählt werden. Vieles in unserer Gesellschaft funktioniert nach diesem Prinzip, ob es die vielbeschriebene “Gate-Keeper”-Funktion journalistischer Redaktionen ist, ob kommunale Ausschüsse für “Kunst im Öffentlichen Raum” oder die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG.

Netzkultur jedoch sperrt sich gegen das Repräsentiert-Werden. Das liegt daran, dass sich im Netz jeder selbst präsentieren kann. Ein auf Repräsentation fußendes Finanzierungsmodell wie die heutigen Subventionen ist damit genauso ungeeignet, wie der auf signifikante Schöpfungshöhe basierende Schutz geistiger Leistung.

***

Das Recht der Menschen auf Sozialhilfe leitet sich in Deutschland aus dem Artikel 1 des Grundgesetzes ab. Mit der Sozialhilfe muss die Gesellschaft allen Menschen im Land ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Es steht also nicht zur Diskussion, ob unsere Gesellschaft auch für die Menschen sorgt, die – warum auch immer – aus dem wirtschaftlichen Raster fallen. Aber Sozialhilfe wird – genau wie die Gelder für Wissenschaft und Kunst – auf Grundlage des repräsentativen Systems verteilt. Menschen müssen sich qualifizieren, müssen sich als geeignet erweisen, um die Hilfe zu erhalten – was im Kern schon gegen den Gedanken einer allgemeinen Sicherung der Würde verstößt. Nicht zuletzt aufgrund der entwürdigenden Schikanen, die bedürftigen Menschen durch Hartz-IV aufgezwungen werden, um zu überleben, und die daraus folgende Finanzierung eines Molochs an staatlichem Verwaltungs- und Überwachungsapparat, wird schon länger die Alternative eines bedingungslosen Grundeinkommen diskutiert: die Zahlung eines Grundbetrags von Geld an jedermann, unabhängig, ob sich der Empfänger dafür als geeignet bewiesen hat, oder nicht.

Ich möchte aber hier gar nicht auf die schwierige und hochgradig ideologisch aufgeladene Debatte des Für und Wider des bedingungslosen Grundeinkommen eingehen. Mir geht es um eine Nebenwirkung, die ein solches Angebot für unsere Gesellschaft haben könnte: das bedingungslose Grundeinkommen wäre gleichzeitig die Grundfinanzierung für kreative Innovation. Für fast alle Künstler, Wissenschaftler und auch für viele der Unternehmensgründer, die ich kenne, wäre eine Existenzsicherung durch ein bedigungsloses Grundeinkommen eine enorme Erleichterung, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen. Und auch das sogenannte Übergangsgeld, welches Arbeitnehmern gezahlt wird, die ein eigenes Geschäft aufbauen wollen, wäre nicht mehr daran gebunden, dass deren Arbeitsplatz erst wegfällt. Es geht mir also um eine Alternative zum System der Subventionen einerseits und einer grundsätlichen Sicherstellung der Existenz, die den Einzelnen in die Lage versetzt, selbständig zu arbeiten.

Die Umstellung der kreativen, kulturellen Produktion vom repräsentativen System von heute, auf ein System, dass es die Präsentation des Einzelnen fördert, muss neben der Grundfinanzierung der Menschen ein Zweites sicherstellen: diskriminierungsfreien Zugang zu den Produktionsmitteln – und das sind heute vor allem die Plattformen zur Publikation, die CDNs, die in Wahrheit ‘Netzneutralität’ bedeuten und schließlich zu den Suchmaschinen, die die Produkte erst für andere sichtbar machen. Dieser zweite Aspekt sollte mit dem ersten komplementär durchdacht werden.

Die Rede vom “Diskutieren ohne Scheuklappen” wird meist von Leuten eingesetzt, um Abscheulichkeiten und Grausamkeiten in die Runde zu werfen und so den Boden für einen Kompromis zu ihren Gunsten zu erreichen. Im Fall des bedingungslosen Grundeinkommen stehen wir erst am Anfang der Diskussion. Weiten Teilen der Gesellschaft scheint es vollkommen undenkbar, einfach Geld ohne Bedingungen zu verteilen. Ich bin aber überzeugt, dass ein bedinungslose Grundeinkommen genau die Form ist, staatliche Sicherheit und Förderung vom autoritären, umschließenden “Vater Staat” auf die Netzkultur zu transformieren, die doch so ganz und gar auf Ermächtigung es einzelnen Menschen ausgerichtet ist.

Nachsatz

Der Grundgedanke von der Repräsentation durch den Staat im Gegensatz zur Präsentation des Einzelnen findet sich an einigen Stellen bei Alain Badiou (u.a. in “Das Sein und das Ereignis”). Badiou überträgt die aus der Mengenlehre entlehnten Begriffe vom “Einschließen”, “Zugehören” auf seine Ontologie und findet interessante Anknüpfungspunkte zur Dialektik von Öffentlichkeit/Privatheit bzw. Ökonomie und Politik bei Aristoteles und Marx/Engels. Ich habe leider bisher niemand gefunden, der diese Gedanken auf eine “post-demokratische” Gesellschaft und Netzkultur überträgt. Auch Badiou entfaltet nicht explizit eine politische Theorie aus seinen Überlegungen, sondern verharrt – verständlicher Weise – im Gegensatz von Kapitalisus/Kommunismus seiner Zeit. Gerne möchte ich an diesem Punkt weitermachen. Falls als jemand passende Quellen kennt, wäre ich dankbar für einen Hinweis!

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Das Ende der Geschichte – für Kreativberufe
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Hacking the Memetic Code

The timeline, this is what we call the stream of our friends’ posts that we get presented when we use social networks like Facebook, Twitter or Google Plus, has become an important way to stay in touch with our bunch. But it is also a means to share information, news or entertainment by posting links to content, that we think would be interesting for our kind.

My timeline is a filter

It is often said that our timeline is in fact a filter. We see only what our community of selected friends would post. If someone starts posting things, we would not want to see, we would “unfollow” or “uncircle” him or her sooner or later – depending on our mood and on the strength of our relationship and the “netiquette”, the rules of courtesy in social mediathat everyone has to obey to remain accepted member. Advertising in particular seems to be content, that would only very rarely pass through this filter, if at all. Like in our “meatspace” communities, we would avoid people pushing unwarranted business towards us. Thus, the timeline might be the toughest Spam-filter there is.

This phenomenon of a highly sophisticated algorithmic as well as social prediction engine has been named “The filter bubble” by Eli Pariser. Bubble in this case has a thoroughly ambivalent meaning: a bubble that surrounds us, in which we are somehow even trapped, because we do no longer see the reality outside the bubble clearly but only blurred; the second meaning of course is that of a soap bubble that will bounce sooner or later like any other hype of the online business. And there is concern that this bubble could not only diminish the quality of serendipity inherent in heterogeneous networks such as the Internet, but also the probability of advertisers reaching new audiences.

The rise of social media and the changes for mass media

The rise of social media comes with a decline of mass media regarding relevance and time spent. Although it is undisputed that the 30”-TV-Ad is still the most effective means of advertising, and is likely to remain this way for a long time, some audiences are to be reached less and less intensely over classic communication channels.Advertising is perhaps only more sensitive to this development than other forms of publicity. However it becomes less and less probable to reach out for everyone we would like to address, be it for advertising, political announcements or any other kind of publication. This will certainly not overthrow everything that has been proven advertising and communication knowledge, but it will add a novel dimension to the rising complexity of communications planning that we should take into consideration.

Social media platforms provide multiple technological means to make this filter-process even more seamless, effective and invisible for their users. By organizing our contacts into groups, lists or circles, users are encouraged to (re)create hierarchies of relevance (“inner circle”, “extended circle”, “nuisance circle”, “Spam”). At the same time, the content posted by someone from the “buddies” circle might get a totally different credibility and attention than content by someone in “business partners” or “opinion leaders”.

My Internet does not look the same way yours does

A third layer – after timeline itself and the circles – between the user and “outside reality” is created by Google and other search engines that use the selections made by the users in their social media profiles (timeline, circles) as input for their algorithms to provide the most relevant results for our queries. These technologies take content posted by our friends to predict what would be relevant for us. Hence we can no longer expect to be shown any kind of objective search ranking, instead we will get our very own list of results that might be completely different from that of our colleagues or neighbours: since we have other Facebook or Twitter friends, we will get other stuff into our timeline. Google translates this into what it thinks we would find relevant. This will heavily take effect into Search Engine Optimization. How should SEOs in the future be able to guarantee that “You get a top-10 search rank”? For SEO, it will thus also become important, to see the website URLs we want to promote, be recommended as often as possible by being posted or twittered.

Also targeting display ads can be improved that way. This is of course a good thing at first, since campaigns will perform more efficiently and the user experiences more ads he might find relevant. But the inventory to address a broad audience, maximizing reach, as it is mandatory for building brand awareness, becomes more fragmented at the same time.

Thus social media work as a filter, induced by the user but at the same time sieves what the user gets recommended by search engines or display advertising. Very few platforms allow the users to access and edit the predicted preferences of these algorithms; Google e.g. does offer this to the users on http://www.google.com/ads/preferences. This might become more common after the EU Privacy Directive that became effective May this year will have become implemented in national legislation soon.

Finally, also the media consumptions of the classic channels is affected by the filter bubble. Studies have shown, that nothing does influence a reader’s or viewer’s choice of programme or press issue more heavily, than the recommendation they get through their timeline which becomes therefore also a screen that might preselect what someone would watch or read. And not only media consumptions – also our brand preferences start to be effected by the posts of our community, that we had individually composed to form our circles, friends, our timeline.

Meaningful Brands

As a side effect, the meaning of brands in people’s lives changes. With mass media advertising, the most valuable brands would have been those, that create prestige, aspiration for their buyers. Conspicuous consumptions is based on mass communication. It requires that others easily recognise what brands we buy. When the process of building brand preferences gets somehow atomized as we do experience when enclosed within our filter bubble, we tend no longer to get aspired for brands we buy for others might no longer notice the specialness of our brand-choices at all. And at the same time, it becomes increasingly more important to show affiliation to one’s community, to get acceptance, be welcomed as a member. Brands that contribute something of value to a community, something that not only the buyer but in some way the whole community would benefit from, get the clear advantage of being likely to show up in their buyers’ posts, telling their friends, “look, I care about all of you”. Umair Haque, writer for the Harvard Business Review, coined the term ‘meaningful brands’ in opposition to ‘aspirational brands’. This topic will be unfolded in a broader perspective in the article [Title of the article and page reference – ] by Daniel Bischoff and Dennis Grzenia.

The Meme

So far we have been mostly looking on what does get filtered out. But what kind of content is there, that people accept in their timeline? Since most users follow not only people that they would have already known in their life outside social media but make new acquaintances, there has to be something that gets through the sieve. With the ‘meaningful brands’ we have got a first hint, of how advertising within the filter-bubble might still work. Apart from that, and in addition to the obvious, the personal statements, the thoughts, impressions and emotions people tell their followers, there is a specific form of information that gets propagated from one personal circle to the next, that is repeatedly shared, retweeted, liked or whatever form of handing along a certain platform provides. You know what I am talking about: LOL-cats, manga cartoons, freak show images, and often pictures without any apparent specialness – food, someone showing his beerglas against the skies, fowl, to name just a few. For images like this, the term ‘meme’ became fashionable.

‘Meme’ is an artificial word. It was created in behavioural biology to describe the way, traditions and culture get passed from one generation to the next and get part of the adaption of a group of humans to a changing environment – comparable with the genetics and natural selection of the fittest in the standard model of evolution. The meme is hence meant to be the cultural equivalent of the gene. When social media communication became common, it was soon realised, that some cultural snippets would get passed from one user to his friends and from his friends to their friends and so on. Mostly these would be images or videos, sometimes funny Powerpoint-Presentations or single phrases of text, marked with some kind of tag like #tahrirsq, #occupywallstreet or #londonriots. My last examples show, that the scope of memetic communication goes far beyond entertainment. In deed, it is often said, the whole uprising in Northern Africa that was quickly spread, was not at least a phenomenon of self organisation alongside memetic tags.

There are different types of memes, depending on their way of propagation. Some get spread very rapidly, globally and evenly. Others are shared only in their own community – which needs not to have been defined otherwise; these images just tend to stop at some invisible boarder. Some images seam to virtually infect one community and then, after some time, jump over to the next, creating bubble-like structures in the social web, while others fade away proportionally to the distance of their point of origin.

Just before joining MediaCom, Benedikt and I had started researching, to find the answers to the question if any given image had the power to become memetic. Even more interesting: to become able to brief creative people how to shape an image for a certain memetic task. So we set sails for hacking the meme code, like the Genome Project would have gone for the genetics. We started analysing images for which we would track their history of being shared on a very large scale. We collected some 10 million images in a database, together with the necessary meta data like who posted it, how many friends/followers would the have, how quickly would the image get re-shared, which language was the text that went with the image’s post, and so on. The second step is a continuous survey where people tell us which of a choice of two images they would more likely share with their friends online. All the data – the image itself, the meta data and the judgement of the participants of our survey, we put together to build statistic models to predict the success of any given picture. So we learned not only if an image would be memetic but also what it was to provide it with this quality. The detailed results will soon be published.

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Another Divide.

[Original German Blog Post]

A chasm runs through our society (if we would stay with this 19th century term anyway). The Digital Divide is usually attributed to the problems of “digital illiteracy”, the fact that a portion of the world’s population is kept outside the Internet by poverty or stubbornness.

In truth, however, and I am convinced about that, the fault of the digital divide is cutting on a much more elementary level though our so called occidental culture. And I take this reactionist term as fully adequate, as Oswald Spengler would have done, because we are talking about nothing less then the complete upheaval of the order that we took for granted at least during the last 200 years. Why would I write such lofty stuff? Because it fits!

Fifteen years ago, I had read a witty article in Wired: : Net-Heads vs. Bell-Heads. Bell-Heads is derived from the Bell Telephone Company, the world’s first telco and direct predecessor of AT&T. Over a hundred years, the Bell-Heads had been the architects of the global (tele-)communication. From the Bell Labs in New Jersey many of the most important inventions of the IT-age originated, not least the transistor. The Bell-Heads had been the heros and prophets of the connected world.

The end of the Bell-age bears legendary traits in the meantime: how John Draper in 1972, with a whistle from some cereal-promotion would have seized the whole US telephone system. When the decentralized net-logic of TCP/IP was more and more established, it became clear to the mentors of Net culture: centralized, bureaucratic systems like that of the telcos would in the long run be inferior to the distributed chaos of the Net. The Net-heads, the evangelists of an anti-hierarchic communications architecture became the apocalypticists revelating the dusk of the old telephone world.

***

The Net without fixed hierarchy, with mere local organisation is the metaphor for a new model of society. The degree of freedom from force, of freedom of speech and the sheer unlimited possibilities of personal evolvement and creativity that we could experience since the 90ies in the Internet, has shown to us, how we also could live. The communications network became an Utopia. Reality outside the Net however looked different: 9/11, “War against Terror”, banking crisis, economic slavery, refugees that our own border patrol would drown in the Mediterranean, and the fight for “intellectual property” – just to chant a short part of last decade’s litany. Thus it is no wonder, that the Net would sometimes take downright messianic shape in our view, the place where everything shall be better. Today however I do not want to dive into deconstructing these – as always – questionable promises of salvation.

Suddenly there is disturbance in the world. People stand up and go down into the streets. But it is not ideologies, neither party platforms or union speeches that set people into turmoil. The occasion for insurgency is not the same for all events. From the Maghreb to Spain and to the US, there are definitively different coercions, against which the people rise.

What unites the demonstrators from Tahrir Square to Wallstreet, is the disire for self-determination and self-organisation. And the model is the culture in the Net.

Thierry Lhote had twittered: “like in may 68 in France a whole generation is learning meme manufacturing for their next Media VP job #occupywallstreet”; and what might read cynical at first sight, turns out to a remarkable observation. In the same way as 50 years ago, a generation has grown up, for whom a consensus about the values of the “old world” can no longer be reached. Thereby the dived cuts right through the middle of the old political wings. Right, left, green – all these groups are dominated by a generation that stays foreign to the Net culture emotionally and intellectually, even, if they do not position themselves openly hostile. And when the Net-heads try to get involved with the old structures, this does only work as far as nothing gets changed and the Old is accepted unconditionally. This was demonstrated in a tragic-comically way recently, when a case of Twitter-censorship shook the German green party.

The rise of the Pirate Party is often compared to the rise of the green party in the late 70ies. And much of this comparison fits. Some enemies of then remained the same: nuclear energy or monopolistic corporations. Some parts are even strikingly parallel. What the Notstandsgesetze, the “Emergency Laws” would have meant for our parents (this role would have played the draft for the US), for us today it is Internet surveillance, three-strikes-out, bail-out, and FRONTEX. The meme #ozapftis (the uncovering of the government malware) is the Watergate of our generation.

Damals, als wg. Sachen wie #Bundestrojaner noch Bürger auf die Straßen gegangen wären.
Those were the times when citizens would have gone into the streets on occasions like that

might @videopunk lament – but I am convinced that this is exactly what happens.

Further reading:
Disrupt politics!
Memetic Turn