ὁ ἔχων ὦτα ἀκουέτω.
Kunstbegriff der Liquid Culture ist wieder das 'Je ne sais quoi' #ricorso #allegorie
— Joerg Blumtritt (@jbenno) August 3, 2012
ὁ ἔχων ὦτα ἀκουέτω.
Kunstbegriff der Liquid Culture ist wieder das 'Je ne sais quoi' #ricorso #allegorie
— Joerg Blumtritt (@jbenno) August 3, 2012
“All of you young people who served in the war. You are a lost generation. You have no respect for anything. You drink yourselves to death.”
Gertrude Stein
Viele junge Amerikaner waren schon vor dem Kriegseintritt der USA nach Europa, in den ersten Weltkrieg gezogen, meist als Sanitäter für das Rote Kreuz oder andere NGOs, wie man heute sagen würde. Zusammen mit vielen jungen Europäern erlebten sie, wie die “Alte Welt” zusammenbrach und – wie es zunächst schien – allerorten endlich die Moderne sich mit Macht ihre Bahn brach – sei es durch den Umsturz der Monarchien wie in Deutschland, sei es durch kommunistische Revolution in Russland oder durch die Apotheose der Maschinen im italienischen Futurismus.
Voll Idealismus kehrten sie zurück, aber die erhoffte Revolution blieb aus. Überall wurden der Aufstand des Neuen niedergeschlagen – in München die Räterepublik grausam beseitigt, in Russland versank die Revolution im Bürgerkrieg und bald in unmenschlicher Diktatur, in Italien wurde aus dem Futurismus bald Faschismus. Und in den USA waren die ersten Nachkriegsjahre ebenfalls von heftiger Reaktion gekennzeichnet – Alkohol-Prohibition, Justizmorde und soziale Ungerechtigkeit, die scheinbar unverrückbar festzustehen schien. Wer in diese Zeit eintauchen möchte, dem seien die Werke von F. Scott Fitzgerald, G. Stein, J. Dos Passos, T. S. Eliot oder E. M. Remarque empfohlen.
Eine junge Generation wächst heran und erlebt, dass die Welt radikal anders sein kann; sie entwickeln ihre eigene Ethik – einen Kodex, wie die Menschheit glücklicher und gerechter leben können sollte, und für einen Moment scheint es ihnen, als ob es keine Utopie ist, sondern Wirklichkeit werden kann. Und dann fordert das alte System mit Macht die Loyalität ein; ein Kampf beginnt, an dem sie sich aufarbeiten und schließlich scheitern; erst die folgenden Generationen werden den Wandel tatsächlich erleben, die erste Generation aber ist verloren, aufgerieben.
Als die Sache mit dem Netz so richtig los ging, dachte ich: wir haben es geschafft; jetzt wird alles sich sogleich verändern; es kracht schon im Oberbau, bald kracht es auch im Unterbau … Fünfzehn Jahre Später sehe ich, wie so viele, die mit mir glaubten, ihnen seine Flügel gewachsen, die Federn gestutzt bekommen. Ob in der Politik, den Medien, ob in Kunst und Musik oder den Universitäten – wir haben alle, so scheint es, das Beharrungsvermögen der alten Machtstrukturen unterschätzt. “All right we are two nations.” beschreibt Dos Passos diesen Bruch durch die Gesellschaft, den wir heute “Digital Divide” nennen.
“Zynismus ist Herz mit negativem Vorzeichen.”
Erich-Maria Remarque
“Unsere Leser sind noch nicht so weit.”, “Der Kunde versteht das nicht.”, “Die Mehrzahl unserer Wähler sind doch Senioren!” – um mich herum sehe ich einen meiner Freunde nach dem anderen scheitern, manche offen und mit lauter Klage, andere still resignierend, in innerer Emigration.
Vielleicht bin ich jetzt zu pessimistisch, aber das Ende von Julia Seeligers Blog Allerseelen auf faz.net ist für mich ein Menetekel.
“From the very nature of progress, all ages must be transitional.”
Gertrude Stein
Wie vor hundert Jahren wird es “dem Esteblishment” nichts helfen, einen Untergang des Abendlandes verhindern zu wollen; zu weit ist die ökonomische Basis der Gesellschaft schon heute durch die Veränderungen der Netz-Welt geprägt. Was mich aber traurig macht, ist mit anzusehen, wie die ganze Avantgarde dieser Revolution zerrieben wird. (Dagegen zu arbeiten, ist für mich einer der Gründe gewesen, in die Piratenpartei einzutreten.)
Ich frage mich: Ist es “Schicksal”, dass wir genauso verloren gehen, wie die Lost Generation vor hundert Jahren? Können wir das nicht besser?
Der erste Schritt wäre, uns klarer über die Wirtschaftsmodelle der neuen Welt zu werden – nicht nur im IT-Bereich, wo, ausgehend von Silicon Valley, sich bereits ein frisches und unserer Zeit angemessenes Ökosystem entwickelt hat. Wie geht es aber weiter mit Kultur, Medien, Kommunikation? Was wird aus der Bildung? Hier denke ich, gibt es noch viel zu tun, bis wir auch wirtschaftlich in der digitalen Zeit angekommen sind. Die Gefahr ist groß, dass im Vakuum, das in der Auflösung der alten Wirtschaftsstrukturen ensteht, einige Unternehmen alles an sich reißen, was plötzlich scheinbar frei herumliegt. Die Ausbeutung öffentlicher Güter durch Google, Facebook oder Amazon wäre die Folge, wenn wir nicht selbst unsere Alternative Ordnung aufgestellt haben, bevor die alte Ordnung völlig kraftlos geworden ist.
Eines aber ist mir völlig klar – nicht erst, seit die FAZ ihr “Experiment” mit der @zeitrafferin beendet hat: die alten Strukturen bieten uns kein Obdach; der Preis, den wir dort für “Schutz” bezahlen müssen, ist zu hoch. Wenn wir uns nicht selbst helfen – und zwar jetzt, augenblicklich – werden wir eine verlorene Generation werden, und es ist mir wenig tröstlich, mir vorzustellen, dass man später auch über uns sagen wird: immerhin haben sie gute Bücher geschrieben.
Es rettet uns kein höh’res Wesen
kein Gott, kein Kaiser, noch Tribun
Uns aus dem Elend zu erlösen
können wir nur selber tun!
Declaration of Liquid Culture
Die dititale Kluft
Das Ende der Geschichte – für kreativ Berufe
Die Moderne ist unsere Antike
Non-Commodity-Production
“Code is Law” is the catch phrase of Lawrence Lessig famous bestseller[9] on the future of democracy. From the beginning of the Internet revolution, there has been the discussion, whether our new forms of media and communication would lead to another revolution as well: a political one[11]. Many of the media and platforms that rose over last decade show aspects of communal or even social systems – and hence might be called Social Media with good cause. Thus, it does not come as a surprise that we start to see the development of the communication platforms that are genuinely meant to support and at the same time to experiment with new forms of political participation, like Proxy-Voting or Liquid Democracy, which had been hardly conceivable without the infrastructure of the Web1. Since these new forms of presenting, debating, and voting for policies have been occurring just recently, we can expect that many other varieties will appear, new concepts to translate the internet paradigm into social decision making. Nevertheless, how do these new forms of voting work? Are they really mapping the volonté générale into decisions? If so, will it work in a sustainable, stable, continuous way? And how to evaluate the systems, one compared to another?2
Politics is often set equivalent to negotiating opinions in the parliaments, committees, or gremia[5]. Representatives are given the mandate from the voters to represent their interests. Not everyone can be an expert in every field. To foster adequate decision making, lobbyism is integral part of the parliamentary system. First, this is industry associations and interest groups (the JICs3, ethnic organisations, religious and cultural associations etc.) relaying their clients’ interests to the representatives by providing arguments. Furthermore there are those groups of experts that gather around certain topics, rather loosely connected compared with the industry associations. Those think-tanks are often initiated by politicians and are much less transparent regarding statutes or goals compared to the associations.
Liquid democracy is a conceptual alternative to pork barrel politics and lobbyism. It is designed as a method for direct democracy, where voters not only ballot at the decisions but deliberate and negotiate one with each other every step of forming a political opinion and “volonté générale”.
Liquid democracy is a form of proxy-voting4. Participants have suffrage and are at the same time eligible, can thus better be called ‘actors’ than ‘voters’. Actors can issue initiatives for projects like laws, changes in laws, budget decisions, etc.
First step is formulating the initiative as a proposal and upload it to be reviewed and discussed. This step can be preceded by informal discussion before the actual upload. During this discussion phase, the initiative’s author can still change the initiative and react to criticism and suggestions. After a fixed time span (the same for all initiatives on one topic), the initiative’s text is frozen and can no longer be changed. In this ‘frozen’-phase, the initiative has to gather support from other actors who openly and actively register as voters for this initiative. Also, alternatives to the initiative can be added to be decided at the same ballot. For each topic a quorum of minimum support can be set and only initiatives which get above this threshold make it to the ballots.
All actors can delegate their vote to some other actor who then may delegate their vote together with all votes delegated to them further on, and by that potentially forming chains of delegations. Delegation can be withdrawn and changed anytime until the deadline for the decision has passed.
Of course, delegation to everybody requires transparency who gets delegated by whom. As soon as somebody passes on my delegation, I want to be sure who that is to have the possibility to decide to withdraw and re-delegate or vote to myself. Thus at least for actors who offer themselves as delegates, secrecy of the vote is not an option. It is debatable of computer-based voting systems in general should require full identification of the voters to the public to prevent fraud. With liquid democracy, however, it would become mandatory to disclose the identity of most voters.5
By skipping secrecy, liquid democracy can make lobby-driven decisions more transparent because everybody can see who was involved.
Today liquid democracy exists as a mixture of direct and representative democracy within some regional affiliations of Germany’s Pirate Party[3]. The idea is, that representation becomes more flexible by the fact, that every delegation can be immediately withdrawn.
Liquid democracy is sometimes compared with Wikipedia – everybody can participate, all discussions are open. On the other hand, the principal of delegation applies likewise, if perhaps you would not see yourself as competent for the decision or you would be busy during the election process.
Liquid democracy is not necessarily contradicting classic parliamentary democracy. It could very well be used by the voters, to articulate informed proposals to their representatives, who could incorporate this input to their parliamentary work and adjust their decisions in parliament accordingly.
There is quite some complaining about atomisation of society, breaking with solidarity, or even decay of values, and a lament on the climate of disenchantment with politics, which can be heard in the context of social media. At the same time, people all over the globe gather, protest against bondage, exploitation and particularly lack of participation. #arabspring, #spanishrevolution or #occupywallstreet are the most prominent examples of this movement. Also the remarkably vivid participation of German voters in petitions to the German Bundestag and the explosive growth of the Pirate Party tell less of an end of politics, but more of a changing in political culture.
The common topic of the protests mentioned above is a taking-back of responsibility and influence which had been handed over to the state – more or less voluntarily, depending on the social constitution. This calling “We are the 99%” is therefore not without problems. Just because many rally around an idea and articulate themselves does not tell, if a majority would share this view. Often the majority opinion is even totally unclear, as e.g., it was the case with the construction of Stuttgart’s new main railway station, that succeeded at the ballots – just the opposite of what everybody had expected after months of ongoing fierce protests that could not be suppressed even by excessive police brutality.
Often it is feel-good-topics, cheep reductions to simple phrases; we are now speaking about “slacktivism”, “engagement from the couch”; this form of political activism is often at not more than liking something on Facebook without having really thought through the desire to change something. And even if it is likely that a majority of the concerned would support the protest, important democratic correctives of minority protection and other non-negotiable rules that we think as not changeable even by majority vote, are still missing.
Delegation communities exist by their members’ taking tasks, fulfill duties within the community, and participate in the successes that are communally achieved. In a society, citizens delegate parts of their tasks and duties to the state’s administration. Over the course of the last two hundred years the citizens of the so called Western World have handed over more and more of their very own responsibilities to the state – caring for the sick and elderly, birth and death, provisions for retirement, education and many more.
How these delegated tasks have to be carried out is fixed by the process of representative decision making that characterizes parliamentary democracy.
Elected representatives are assigned to taking care about this for a time of multiple years. That all these jobs can be done, experts have to be paid for and equipped with the necessary means of work. To control the adequate application of these means, finally an administration is needed to oversee it. It is not clear, how the carefully balanced system of checks and controls between administration and parliament would be affected by such a radical change in delegation that liquid democracy would propose. The promise, however is to take back responsibility into the hands of the people.
“Speak with us, don’t speak for us.” is the central phrase form the statement of autonomy of OccupyWallStreet[15]. In more then 2000 years, from the beginning of the Greek democracy and the Roman republic, the representative system prevailed, in which people delegate their interests to someone to represent them. It is not necessarily the case that representative systems are also democratic but in our contemporary understanding, all democracies are representative, that is, the decision making is done indirectly and not directly. There are hardly any examples of grassroots democracy that could be called a success, apart from a few counties in Switzerland. Is the ideology of representative democracy thus without alternative? Representation, the parliament, has a long list of advantages – from “not everybody can be expert for everything” to “not everybody can join every conversation” – a discussion of which would lead to far here, as would a criticism of representative democracy as such. Here we want to focus on liquid democracy as an alternative hypothesis to representation.
A path to non-representative democracy was described by Habermas[7][8] and others in the concept of deliberation. Political intention is negotiated directly in discourse between people, and relayed accordingly to the political actors (ideally professional politicians) that work in the center of society. This process of decision making faces some sound criticism: people who cannot articulate themselves very well or who would have to fear that they become “talked into something” or shouted down in the discussion, will not even begin to take part. Everyone who became victim to one of Wikipedia’s deletion-discussions knows how this feels. But still, Wikipedia stands without doubt for one of the very big successes in collective collaboration in the Net. It may appear unbelievable, what was achieved by thousands of people together, without any monetary incentive – and continuously, Wikipedia is brought further, gets enhanced, and this despite the communication culture there is after all gruff, to say it moderately. Wikipedia’s culture nevertheless is not a good example for inclusion; the horrible gender-bias alone is telling.
A concept to soften this spiral of silence is to give the actors the option to perform under a self given name and identity. As long it is guaranteed that every physical person would get only one vote, this ‘autonymity’, the freedom of flexible choice of name, has the advantage, that it is possible to articulate a particular opinion without sticking this permanently to the own personality. However the disadvantages of acting under pseudonym in a system like liquid democracy stand, as discussed above.
With the establishment of the Pirate Party in 2006 the demand for a practical implementation of direct democracy in the political discussion became considerably more vivid. The Pirates formulated a postulate at the beginning of their party programme: “We Pirates aspire democratically equal rights of all people to the highest possible extend. Therefore it is the goal of the Pirate Party to increase every individual’s possibilities of direct and indirect democratic co-determination and to foster the participation in democracy of every citizen.”
And as Jan Hunold, then political secretary of Piratenpartei, explains accordingly: “I regard the long range goal to include the citizen contiguously into the decisions on the development of society as extraordinarily worthwhile, independent from the actual implementation. The advanced connectedness of men and the freedom of information render this dream ready at hands.”[14]
At the end of 2009 Piratenpartei had finally mapped the Pirate Party’s idea of liquid democracy into a web based platform. After successful test runs this was integrated with the Berlin state affiliate and at the national party convention May 2010, the party’s platform for liquid democracy was set up for non-binding polls for the whole Piratenpartei.
The introduction of its liquid democracy platform as an instrument for party-internal decision making did however not remain without controversy. Especially questions on privacy protection and integrity of the votes are dominant in the discussion on IT-supported voting until now.
The practical application of liquid democracy in the Pirate Party made visible some apparent weaknesses or liquid democracy. A certain bumpiness is directly entailed by the compromise of the legal necessity of having a commonly constituted party with the structures of direct democracy. German law does neither support proxy-voting nor deliberation, but demands from the parties to be strictly representative, divided into the geographic subsidiaries with a hierarchy of delegates. Many conflicts thus are generated in the gap between the approach of grassroots-democracy of direct presentation of every individual’s arguments and the indirect representation by parlamentarians trying to push majority opinion by any means – as intended by our political system.
There are some aspects in criticizing liquid democracy yet, that make apparent, where the real changes to the representative system lie:
“Do you want to work together or even form a coalition with a party in permanent interaction between their grassroots and their delegates by means of Liquid Democracy? […] The general question however would be if a coalition would not rather stand in the way of searching the best solution. Orientation on factual issues could save us from such remarkable experiences like turning something down just it was initialized by the wrong side, even if it is exactly what would be your own cause. ”[10]
Continuity and predictability are obviously a necessary part of representative systems. The members of parliament represent their mandators only indirectly. For showing to their voters, that their intended politics would be dutifully represented, they have to stay constant and reliable in a few striking aspects, while their motives for most of their decisions would remain undisclosed to their voters. Whip and fidelity to the coalition are the well known consequences – not really in the very sense of our constitution that would see the the decision behavior only bound to the conscience.
“Occupy Wall Street is leaderless resistance movement with people of many colors, genders and political persuasions.”[16]
Direct democracy is often seen as plebiscite, that is to “give the decision to the polls”. Basically, the political work in this case is still done by the elected representatives. The proxy-vote or the imperative mandate goes considerably further by tying the votes to a definitive decision behavior of the parliamentarian representing these voters. Imperative mandates are usually bound to decisions of conventions of voters. A party conventions or a citizen councils decides by majority and the delegatee has to represent this decision in parliament. Proxy voting however, allows for every single person to delegate their vote to those who would represent their opinion in the session. All three forms, plebiscite, imperative mandate or proxy voting – as in the same way then the classic “conscience-bound mandate” of the German election laws – assume that there is a group of people, homogeneous enough to be abstracted into one set and then represented by their member of parliament.
In liquid democracy there is no separation of suffrage and eligibility, because everyone can contribute and vote. Everybody presents themselves – and even if they would have delegated their vote to someone else, there is no abstraction of people to groups that are represented in liquid democracy. Liquid democracy is a system of direct, non-representative democracy.
A complete presentation of everybody for themselves show the marks of Max Stirner’s anarchistic egoism. And communities that are organized in such a non-representative way, like e.g. Wikipedia, in fact well appear like you would imagine Stirner’s anarchy.
A logical outcome of such a non-representative system is also to no longer distribute governmental transfer payments, subsidies, or appropriations top-down, but allow every person the same access. It is only consequent that Piratenpartei takes the basic income guarantee as a programmatic goal.
Liquid democracy means everyone is able to contribute, and consensus is to be build on top of the proposals. Consensus does not mean majority. A majority overrules those who do not share the opinion – after the ballot, the set of voters will be regarded as homogeneous regarding the decision in question[12]. For the daily party business this means: once a party committee has made its decision, all members have to stand behind this (at least this is expected from the party members).
In a non-representative, direct democracy, having unity behind the majority is not the point, since every opinion remains valid and cannot be overruled. It is especially important to concentrate on finding consensus in the crucial topics. Consensus means to really stand behind the decision and not just be outvoted. So we could call consensus in politics as “agreement on the truth” in opposition to “deciding on opinions”.
The struggle for truth leads, as mentioned above, immediately to a rather gruff tone in the debates. Those inferior with arguments frequently take their last stand: the “Shitstrom”, usually a ranting against decisions or actions without arguments – completely convinced to be right and full of anger, not getting right.
Other than a compromise which is closed between the two sides engaged – often formalized as in a coalition agreement – consensus is not fixed and not binding. Like in Wikipedia where existing texts are always open to edition, and where the authors continuously have to defend their words if they would like these to remain, the consensus in liquid democracy can always be left, and an initiative for change be placed. Frequently, so called trolls appear in the course of decision making in liquid democracy – people insisting on certain topics in a very destructive way. As inconvenient such arguing with trolls is, it still leads often to overcome differences and find a broadly based consensus. The continuous attack on established consensus stabilizes.
Liquid democracy is, when thought to its end, a radical breach with the foundations of democracy as we know it and take for granted. Fully evolved, liquid democracy turns the whole process of delegation to parliaments, experts and administration around. The global crisis of the established economical and political order makes it worthwhile to think about opening a new chapter of enlightenment and really consequently accept humans as autonomous beings, that may better care for themselves as benevolent representatives ever could by governing them.
“Today, we proudly remain in Liberty Square constituting ourselves as autonomous political beings engaged in non-violent civil disobedience and building solidarity based on mutual respect, acceptance, and love.”[16]
David Bollier. LiquidFeedback: What A Genuine Democratic Process Looks Like. July 5, 2012. url: http://www.bollier.org/blog/liquidfeedback-what-genuine-democratic-process-looks.
Sebastian Buck. “Liquid Democracy – eine Realisierung deliberativer Hoffnungen? Zum Selbstverständnis der Piratenpartei”. In: Zeitschrift für Parlamentsfragen 43.3 (2012). Publisher: Nomos Verlagsgesellschaft mbH, pp. 626–635. issn: 0340-1758. url: http://www.jstor.org/stable/24240728.
Bastian Bullwinkel and Lothar Probst. “Innerparteiliche Willensbildung und Entscheidungsprozesse durch digitale Partizipation. Ein Praxistest des Konzepts der Liquid Democracy”. In: Zeitschrift f/uml;r Parlamentsfragen 45.2 (2014). Publisher: Nomos Verlagsgesellschaft mbH, pp. 382–401. issn: 0340-1758. url: http://www.jstor.org/stable/24243405.
Fiorella De Cindio and Stefano Stortone. “Experimenting LiquidFeedback for Online Deliberation in Civic Contexts”. In: Electronic Participation. Ed. by Maria A. Wimmer, Efthimios Tambouris, and Ann Macintosh. Lecture Notes in Computer Science. Berlin, Heidelberg: Springer, 2013, pp. 147–158. isbn: 978-3-642-40346-0. doi: 10.1007/978-3-642-40346-0_13.
Charles L. Dodgson and Lewis Carroll. The Principles of Parliamentary Representation. London: Harrison and Sons, 1884. url: http://link.gale.com/apps/doc/U0112829209/MOME?u=new64731&sid=zotero&xid=d230b366.
“GOVERNMENT BY PROXY NOW.; Oregon Plan Would Present Ideas of Representative Lawmaking”. In: The New York Times (June 29, 1912). url: https://www.nytimes.com/1912/06/30/archives/government-by-proxy-now-oregon-plan-would-present-ideas-of.html.
Jürgen Habermas. Faktizität und Geltung. Publication Title: Jürgen Habermas: Faktizität und Geltung. De Gruyter, July 25, 2016. isbn: 978-3-11-043474-3. url: http://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783110434743/html.
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Peter M\uuml;hlbauer. Warum Partei und nicht Religion? heise online. url: https://www.heise.de/tp/features/Warum-Partei-und-nicht-Religion-3415262.html.
OCCUPY WALL STREET. Statement of Autonomy. url: http://occupywallstreet.net/policy/statement-autonomy (visited on 05/14/2021).
Occupy Wall Street | NYC Protest for World Revolution. url: http://occupywallst.org/.
Gonna stand my ground, won’t be turned around
And I’ll keep this world from draggin’ me down
Gonna stand my ground and I won’t back down
Tom Petty
Die Piratenpartei bezeichnet sich selbst offziell als Mitmachpartei. Das klingt nach “Anpacken”, “Jeder darf mal”, “Nichts für Faule”, fast nach Polit-Theme-Park mit Animation – “hier wird niemand langweilig”.
Dass Mitmachpartei allerdings etwas ganz anderes meint, ist in den letzten Wochen mehr und mehr deutlich geworden: die Piratenpartei sieht sich als eine Partei von politisch handelnden Menschen; jedes Mitglied ist selbst Politiker. Dieses Verständnis einer so weitgehend aktiven Mitgliedschaft hat weitreichende Konsequenzen.
„Letztendlich verleihen die Beobachter, die mehr als der Handelnde sehen, dem
Handeln den gemeinsamen Sinn, der eine Welt entstehen läßt. […] Im öffentlichen Raum befinden sich die Handelnden im Entborgenen, werden sie beobachtet, man spricht über sie, ihre Geschichte wird überliefert”
Hans-Martin Schönherr-Mann: Hannah Arendt. Wahrheit Macht Moral.
Transparenz ist eine Kernforderung der Piraten. Transparenz bedeutet Nachvollziehbarkeit aller politischen (und staatlichen) Entscheidungen und Prozesse. Voraussetzung für Transparenz ist Öffentlichkeit – nur was offen sichtbar ist, kann transparent werden.
Selbstverständlich muss die Forderung der Transparenz zu allererst für die Piratenpartei selbst gelten. Da sind zunächst die Amts- und Mandatsträger. Klar – möchte man sagen – die haben sich ihren Job ja schließlich herausgesucht; die wussten vorher, dass wir von ihnen völlige Offenheit erwarten. Aber die Piratenpartei unterscheidet sich in einem Punkt wesentlich von anderen politischen Parteien: es gibt keine gewählten Delegierten; die Piraten-Basisdemokratie macht es unabdingbar, dass auch alle Entscheidungen der Parteibasis transparent, d.h. offen und nachvollziehbar getroffen werden. Nachvollziehbarkeit bedeutet vor allem, dass klar ist, wer was getan hat (um evtl. daraus zu schließen, warum – insbesondere, wenn der Verdacht von Einflussnahme ausgeräumt werden soll). Daraus folgt, dass wenn möglich alle Aussprachen, Aufstellungen und Abstimmungen persönlich und offen ablaufen sollten.
Die Offenheit ist nicht nur Kontrolle, sondern bietet auch Schutz vor Angriffen. Wenn alle zusehen, wird auch Einschüchterung unwahrscheinlicher. Deshalb ist es auch so wichtig, dass Parteitage und Demonstrationen öffentlich verlaufen und jeder Mensch uneingeschränkt Bilder und andere Aufzeichnungen davon machen kann.
Liquid Democracy ist ein politisches System, dass Basisdemokratie mit einer nicht-repräsentativen Delegationsmöglichkeit verbindet.
Jedes Mitglied kann selbst abstimmen, aber man kann seine Stimme auch delegieren – für eine einzelne Abstimmung, für ein bestimmtes Thema oder allgemein für eine bestimmte Zeit. Wenn ich nicht selbst von meiner Stimme gebrauch mache, hat mein Delegierter dann meine Stimme zusätzlich zu seiner eigenen (und gegebenenfalls zu weiteren Stimmen, die er von anderen per Delegation erhalten hat).
Wenn ich meine Stimme delegiere, möchte ich wissen, was mein Vertreter für mich abgestimmt hat – genau wie ich das bei den demokratischen Repräsentaten in den Parlamenten verlange. Damit kann mein Delegierter kein Wahl- oder Abstimmungsgeheimnis mehr für sich beanspruchen. Umgekehrt muss für mich nachvollziehbar bleiben, warum ein Mensch mit mehreren Stimmen gewichtet wird – es muss möglich sein, zu sehen, wen er vertritt. Damit schwindet auch ein Teil des Abstimmungsgeheimnisses der Leute, die ihre Stimme an andere Delegieren.
Basisdemokratie und speziell Liquid Democracy funktionieren IRL nur für kleine Gemeinschaften – typischer Weise kleine Dörfer. Erst mit der Web-2.0-Logik der Social Networks konnten “elektronische” Werkzeuge entwickelt werden, um nicht-repräsentativ einen Willen zu bilden, wie das bei Basisdemokratie notwendig ist. Liquid Feedback ist das System, dass die Piratenpartei für Liquid Democracy einsetzt.
Für alle netzbasierten Wahlsysteme gilt : wenn die Abstimmungen geheim oder unter Pseudonym ablaufen, kann nie ausgeschlossen werden, dass es nicht möglich ist, gefälschte Nutzer-Konten anzulegen und damit abzustimmen. “Nein, Hase42 wird nicht darüber abstimmen, ob wir die Todesstrafe einführen wollen.” fasste Katja Dathe dieses Problem überspitzt zusammen, als im Landesverband Berlin darüber gestritten wurde, Liquid Feedback nur für Leute mit ihren bürgerlichen Namen freizugeben. Bei mehreren zehntausend Wahlberechtigten kann kein System mit Pseudonymen mehr transparent gehalten werden; Mitgliedsnummern sind da nicht besser, außer natürlich, ich kann jederzeit nachsehen, wer sich hinter welcher Nummer verbirgt – dann ist die Pseudonymisierung aber kein Schutz mehr und ich kann gleich meinen bürgerlichen Namen ins Profil schreiben.
Politische Abstimmungen müssen in der Regel auch noch nach Jahren nachvollziehbar bleiben – damit führt Liquid Democracy automatisch nicht nur zu einer deutlichen Reduktion des Wahlgeheimnis, sondern auch noch zur “Voratsdatenspreicherung” des personenbezogenen Abstimmungsverhaltens – für die Aluhüte der Show-Stopper; ohne Frage.
On some positions, Cowardice asks the question, “Is it safe?” Expediency asks the question, “Is it politic?” And Vanity comes along and asks the question, “Is it popular?” But Conscience asks the question “Is it right?” And there comes a time when one must take a position that is neither safe, nor politic, nor popular, but he must do it because Conscience tells him it is right. I believe today that there is a need for all people of good will to come together with a massive act of conscience and say in the words of the old Negro spiritual, “We ain’t goin’ study war no more.” This is the challenge facing modern man.
Martin Luther King Jr.
Wir sind die Mitmachpartei. Die Freiheit von Überwachung und die Sicherheit der Privatsphäre, die wir für alle Menschen durchsetzen wollen, können wir für uns selbst nicht einfordern. Zu diesem unangenehmen Schluss bin ich gekommen.
Wenn wir die Gesellschaft verändern wollen, Transparenz und Offenheit als erstrebenswertes Gut zu sehen, müssen wir selbst bedingungslos danach leben und handeln. Nur wenn wir uns selbst als Avantgarde verstehen, bereit sind, unsere eigene Angst zu überwinden und das Opfer zu bringen, unser politisches Handeln und damit unsere politsche Überzeugung offen zu legen, werden wir unser Ziel erreichen – there ain’t no easy way out.
I submit to you that if a man has not discovered something that he will die for, he isn’t fit to live.
Martin Luther King Jr.
Mein Text klingt hier vielleicht melodramatisch – aber es ist in der Tat ganz ernst: es ist nicht auszuschließen – ja ich denke sogar, es ist nicht unwahrscheinlich, dass irgendwann in Zukunft oder irgendwo auf der Welt unser politisches Handeln als Verbrechen gesehen wird. Für nicht wenige Leute ist heute die Mitgliedschaft in der Piratenpartei nicht mit dem Beruf vereinbar – dramatische Beispiele sind mir persönlich bekannt.
Nicht-repräsentative Demokratie – und das ist Basisdemokratie, wenn wir sie nicht einfach auf Meinungsumfragen und Voksentscheide reduzieren wollen – ist eben präsentativ, lebt vom direkt sichtbaren, politischen Handeln.
Wenn wir diese Form von Politik wollen, müssen wir bereit sein, unser Opfer zu bringen. Wie die Suffragetten vor hundert Jahren, die Schwarzen in Amerika, in den 60ern oder die Homosexuellen (bis heute) – wer als erster die Stimme ergreift und Rechte durchsetzen will, muss sich heraus wagen. Aber: je offener wir gemeinsam handeln, desto geringer wird der Spielraum, einen Einzelnen herauszupicken und zu drangsalieren.
Lasst uns also zusammenstehen, die Aluhüte wegpacken und gemeinsam für eine offene und freie politische Kultur kämpfen!
See our numbers still increasing.
Hear the bugles blow.
By our union, we shall triumph
Over every foe.
Fierce and long the battle rages,
But we shall not fear.
Help will come whenever needed.
Cheer, my comrades, cheer.
Billy Bragg
(danke an @ennopark, @denial0fservice und @snougata für die Inspiration)
Am 30. Juni um 15:00 Uhr hat sich die Piratenpartei Russlands gegründet. Eine kosmopolite, radikal humanistische Bürgerrechtspartei, noch dazu mit Ideen aus dem Ausland, ist im derzeitigen politischen Klima Russlands schon eine Sensation. Aber für mich ist eine andere Tatsache noch bemerkenswerter: die russischen Piraten haben ihr Grundsatzprogramm als Gedicht verfasst!
Politik als Poesie – Politik als Kunst! Menschen, die ihre Freiheit, wenn nicht ihre körperliche Unversehrtheit riskieren, eine Partei zu gründen und ihre Meinung auszudrücken, verfassen ihr Manifest als Gedicht, als ginge es um ein Spiel. “Infantile Politik” ist, was ich selbst an der politischen Kultur der Piraten am meisten schätze – darüber habe ich jüngst schon geblogt. Ich halte diese “heilige Naivität” für unglaublich wichtig, denn es verhindert, in dieselben bürokratischen Formalismen und Positivismen zu verfallen.
Poesie ist in Wahrheit der einzig angemessene Rahmen für den Inhalt des Programms: es geht um Menschlichkeit, Teilhabe und Gerechtigkeit.
Ich habe versucht, das Gedicht so gut wie ich konnte zu übersetzen. Leider ist mein Russisch ziemlich beschränkt.
Der Text ist voll von Anspielungen und Zitaten – viele davon werde ich nicht richtig erkannt und wiedergegeben haben.
Ich bitte daher um Nachsicht und freue mich über Vorschläge zur Verbesserung!
veröffentlicht am 30. Juni 2012 auf pirate-party.ru
Vorläufiges Programm der Partei. Autor Alexander Deljfinow – Dichter, Journalist, Künstler.
Transparenz, Gleichberechtigung, Entfaltung Das politische Programm der Piratenpartei in poetischer Form “Eine politische Partei muss ein Programm vorlegen, das die Grundsätze der politischen Partei, ihre Ziele und ihr Vorgehen diese Ziele zu erreichen definiert.” |
Проект программы партии. Автор Александр Дельфинов – поэт, журналист, художник.
Открытость, равноправие, развитие Политическая программа Пиратской партии в поэтической форме “Политическая партия должна иметь программу, определяющую принципы деятельности политической партии, ее цели и задачи, а также методы реализации целей и решения задач”. |
1.0. Die vier Grundsätze
Macht ist kein Spielzeug in Händen einer Elite, 1.1. Direkte elektronische Demokratie 1.2. Transparenz 1.3. Legitimität 1.4. Meta-Ismus |
1.0. Четыре принципа
Власть – не игрушка в руках элиты, 1.1. Прямая электронная демократия 1.2. Открытость 1.3. Законность 1.4. Метаполитичность |
2. Ziele und Aufgaben
Transparenz, Gleichberechtigung und Entwicklung 2.1. Mehr Demokratie! 2.2 Freier Austausch von Information 2.3. Der transparente Staat 2.4. Datenschutz |
2.0. Цели и задачи
Открытость, равноправие и развитие – 2.1. Больше демократии! 2.2 Свободный информационный обмен 2.3. Открытое государство 2.4. Неприкосновенность частной жизни |
3. Methoden, diese Ziele und Positionen zu erreichen
Was die Zukunft bereit hält, 3.1. Intelligentes Wachstum 3.2. Gesetzliche Regeln 3.3. Wirtschaftliche Stimulation 3.4. Öffentliche Bildung Zur Beachtung |
3.0. Методы реализации целей и решения задач
Что день грядущий уготовит, 3.1. Интеллектуальная экспансия 3.2. Правовое регулирование 3.3. Экономическое стимулирование 3.4. Общественное просвещение Примечание Пусть не найдёшь порой финальных |
You do not wipe away the scars of centuries by saying: ‘now, you are free to go where you want, do as you desire, and choose the leaders you please.’ Lyndon B. Johnson
Am Freitag fand die Auftaktveranstaltung “keinzelfall – Diskriminierung geht uns Alle an!” der Veranstaltungsreihe zur Sensibilisierung bezüglich diskriminierender Ideologien und Praxen innerhalb der Piratenpartei statt. Diskriminierungsfreiheit scheint ein Thema, mit dem sich die Piraten überraschend schwer tun. Überraschend deswegen, weil die Partei schließlich vom denkbar offensten Menschenbild ausgeht: keine Kategorie, in die Menschen üblicherweise eingezwengt werden, wird von den Piraten akzeptiert – deshalb geben wir auch unser Geschlecht nicht an, wenn wir Mitglied werden.
Ich bin persönlich begeistert von einem so freien Bild des Menschen – Liquid Identity ist nicht umsonst eine der Forderungen in unserer Declaration of Liquid Culture.
Nichtsdestotrotz stimmt unverändert, was US Präsident Johnson in seiner berühmten Rede “To fulfill these rights” von 1965 anführt: wir können nicht einfach sagen “So, jetzt ist Schluss mit Sexismus” – und dann sind alle Strukturen plötzlich machtlos, die bisher wirkmächtig genug waren, das System über Jahrhunderte stabil zu halten.
Basisdemokratie – wenn alle einzeln für sich sprechen – kann scheitern, wenn bestehende Assymetrie hineingetragen wird.
So zumindest habe ich mir aus den klugen Gedanken von Matthias Mergl auf der keinzelfall-Veranstaltung mitgeschrieben.
Aber wie können wir diesen Widerspruch auflösen – einerseits wollen wir die Konstrukte Gender, Kindheit, ethnische Herkunft etc. unbedingt überwinden – andererseits muss uns klar sein, dass ein naives “Wir sind alle Post-Constructivist” und deshalb sind wir komplett frei von den Einflüssen diskiminatorischer, struktureller und kultureller Gewalt, eben genau die bestehenden Ungleichheiten in unsere Gemeinschaft hineinträgt.
Beim anschließenden Bier ist UrbanP1rate, Carridwen und mir eine Idee gekommen, die sich imo lohnt, weiterzudenken: Liquid Affirmative Action.
Der Gedanke zur Liquid Affirmative Action ist ganz einfach: ja, wir brauchen eine Quote, nein, wir brauchen keine Konstrukte. Wir starten eine Liste mit Kategorien “Männer”, “Frauen”, “Neutral”, etc. Jeder Pirat trägt sich selbst in die Kategorie ein, für die es sich entscheidet (geschickt, wie ich hier das Neutrum beim Pronomen einführe, nicht wahr?). Wenn keine Kategorie passt, wird eine neue aufgemacht. Ich halte zB Kategorien wie “Piraten, die in keine Kategorie eingeteilt werden wollen” oder “Piraten, die einfach in irgendeine Kategorie eingeteilt werden wollen” für völlig legitim. Wir hatten solche Selbsteinteilung schließlich schon öfters. Und dann Quotieren wir nach der Größe der einzelnen Kategorien.
Mögliche Einwände:
Und jetzt?
Jetzt sollten wir testen, ob es nicht vielleicht überraschend einfach ist und gut funktioniert, wenn wir von den starren, aus einem diskriminierenden Menschenbild geborenen Kategorien der üblichen Quotenregelungen herauskommen und unseren eigenen, piratischen Weg zu diskriminierungsfreien politischen Partizipation finden. Wir wollen, dass jeder Mensch für sich spricht, sich nicht als “seinesgleichen” vertreten lassen muss. Aber wir wollen auch, dass wir uns von den alten Ungleichheiten befreien und das werden wir nicht schaffen, wenn wir sie einfach ausblenden.
Darum ist es Zeit für Liquid Affirmative Action!
Wir wollen die Freiheit der Welt,
und Straßen aus Zucker,
Schneien soll´s Geld und
Ab und zu Futter,
Für Kanonen aus Plastik auf Panzern aus Watte,
In 1000 Jahren sind wir Klassik
(Frittenbude, 2008)
Do not follow where the path may lead.
Go instead where there is no path and leave a trail.
Harold R. McAlindon
Wo ist der Mainstream in der Kultur? In der Politik? Oder können wir in einer immer fragmentierteren Gesellschaft gar nicht mehr von dem einen Mainstream sprechen, der die Mitte der Kultur definiert? Je länger man darüber nachdenkt, desto schöner ist die Metapher des Mainstreams. Sie denkt Kultur schon in den 1960er Jahren nicht mehr als Schichten (Hochkultur vs. Volkskultur), sondern als Raum der Ströme, wie wir das in unserer Liquid-Culture-Erklärung ebenfalls fordern.
Politisch war der Mainstream ein Kampfbegriff. Die Mitte der Gesellschaft war ein privilegierter Ort, zu dem nicht jeder einen Zugang hat. Die Lösung hieß sehr schnell: Mainstreaming. Ziel war es, mit rechtlichen und politischen Entscheidungen dafür zu sorgen, dass zum Beispiel jeder denselben Zugang zum Bildungssystem oder zum Arbeitsmarkt besitzt. Mainstreaming ist in dieser Bedeutung dasselbe wie Antidiskriminierung.
Gleichzeitig war der Mainstream aber auch – in umgekehrter Polarität – ein kultureller Mainstream. Der breite Strom des kulturellen Minimalkonsenses ist für die Avantgarde ein lebensfeindlicher Ort. Sie ist radikal und extrem. Doch beide Positionen drohen von dem Mainstream weggespült zu werden, der sein Flussbett immer tiefer in die Kultur fräst und immer breiter anschwillt. Aus Sicht der Künstler ist die Flutwelle des Mainstreams eine Gefahr, denn alles was nicht fest verwurzelt, also radikal, ist, verleibt sich der Strom ein. Diese ständige Bedrohung hat Teufelsblume in folgendem Tweet auf den Punkt gebracht:
Immer diese furchtbare Angst den Mainstream doch nicht rechtzeitig zu erkennen..
— Anna Mantis (@Teufelsblume) Juni 2, 2012
Damit kommen wir zu einer neuen Formulierung des Filter-Bubble-Phänomens: Die Informations- und Nachrichtenstreams, die wir auf Twitter, Facebook oder Flipboard lesen, machen den gesellschaftlichen Mainstream unsichtbar. Wir verlieren ein Gefühl dafür, wo der Mainstream gerade fließt und welche kulturellen Strömungen er sich schon eingemeindet hat. Sind wir radikal? Sind wir extrem? Sind wir vorne oder mittendrin? Die Timeline schweigt zu diesen Fragen. Ob wir in unserer Blase auf einem schmalen Wildbach oder einem breiten Strom schwimmen, ist von innen nicht mehr erkennbar. Damit verschwindet aber auch die Fähigkeit, die Ausdehnung unserer Kultur abzumessen, die ja vor allem durch die extremen und radikalen Positionen markiert wurden (Plus Ultra!)
Früher hat man den Massenmedien, dem Massenkonsum und der Massendemokratie einen objektiven Blick auf die Mehrheitsverhältnisse zugesprochen. Aus dieser neutralen Perspektive konnte man erkennen, welche Strömungen schon breit geworden sind, um sie entweder zu vereinnahmen oder in die entgegengesetzte Richtung zu flüchten. So sieht die (junge) Geschichte des Mainstreams aus, wenn man den Google-Buchcorpus auswertet:
Der Mainstream hatte um die Jahrtausendwende seinen Höhepunkt. Seitdem geht es bergab. Die Filterbubble könnte sich hier als eine gefährliche Störung unseres kulturellen oder politischen Kompasses entpuppen. Aber: Sich-treiben-Lassen ist das Gegenteil von Navigation geschweige denn Gestaltung.
“Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter; hier sollen sich legen deine stolzen Wellen!” Hiob 38,11
“Man muß noch Chaos in sich tragen, um einen tanzenden Stern gebären zu können” Nietzsche, Zarathustra
Eine Utopie beschreibt einen Zustand oder Ort, den es (noch) nicht gibt. Der Utopist arbeitet oder kämpft dafür, diesen Zustand zu erreichen. Ob religiös oder ideologisch – am Ende der Mühe steht die Belohnung durch Eintritt in die Utopie.
“Plus Ultra!” – “Immer weiter”. Kaiser Karl V. hatte sich dieses Motto gegeben und in seinem Wappen als Spruchband um die Säulen des Herkules gewickelt, von Alters her das Symbol für das Ende der Welt – wer darüber hinaus segelte, würde unweigerlich über den Rand der Weltscheibe in die Tiefe stürtzen. Für Karl war die Welt rund und nirgends zu Ende. Das europäische Zeitalter der Entdeckungen hatte begonnen.
Non-plus-ultra – es geht nicht besser. Egal ob angebliche Realisten (“das machen wir erst, wenn die Finanzierung 100% klar ist”) oder Utopisten (“Gesellschaft ohne Zwang am Ende des Klassenkampfes”) – die Welt ist eine Scheibe, und wer sich über den Rand begibt, fällt aus dem System heraus.
“Mehr Chaos für mehr Gedanken und mehr Möglichkeiten. Politik der Möglichkeiten, nicht des non plus ultra.” ruft Christina Herlitschka eine neue politische Kultur aus. Schluss mit der Sicherheit von Parteiprogrammen, Schluss mit einem Lagerdenken, das viel zu viele in der Politik wie auf Schienen einem vermeintlichen Ziel entgegen fahren lässt, statt wie in einem Schiff nach allen Seiten beweglich zu bleiben. “Was hat es mit den Parteien, dass sie sich aufführen, wie Fußballmannschaften, die gegen einander gewinnen wollen? (Medien auch so.)” klagt Marina Weisband über dieses Denken in Fesseln.
“Die Piraten sind “die Partei des unendlichen Reichtums”. Die digitale Welt ist durch die unendliche Kopierbarkeit charakterisiert. Die Piraten scheren sich bislang nicht um ökonomische Fragen.
Bei den Wahlen zum Bundesvorstand war es möglich, bei jedem Kandidaten mit “ja” zu stimmen, es waren also mehr Stimmen möglich als Plätze zu vergeben waren.Angesichts der sich gerade aktuell verschärfenden ökonomischen Krisen ist zu bezweifeln, ob sich mit einer solchen Ausrichtung langfristig Wählerstimmen binden lassen.” Julia Seeliger
Der unendliche Reichtum bedeutet, sich völlige Freiheit im Denken leisten zu können (was nicht automatisch heißt dass die Leute diese Freiheit auch tatsächlich nutzen). Natürlich ist es naiv, die Rahmenbedingungen einfach zu ignorieren. Aber anders als Julia Seeliger glaube ich, dass es viele Wähler gibt, die sich so eine infantile Politik wünschen, die nicht zuletzt durch ihre unprofessionelle Art in maximalem Kontrast zur etablierten politischen Kultur steht.
“Die Vorhandenheitsphilister, mit jenen Brettern vor dem Kopf, die nicht die Welt bedeuten” Ernst Bloch
In unserer Declaration of Liquid Culture vergleichen wir unsere Zeit mit einer Flussmündung, die unser Schiff ins offene Meer entlässt. “Plus ultra!”, wir segeln über den Rand der kartierten Welt hinaus. Kein Ziel vor Augen, aber auch keine Angst vor dem Absturtz ins Bodenlose. Das ist die politische Kultur, die ich mir wünsche.
Die Partei des unendlichen Reichtums stelle ich mir vor, wie die ziegengestaltige Nymphe Amalthea, die mit ihrem früchtegefüllten Horn den Jupiter ernährte, bis er stark genug war, Saturn vom Thron zu stürtzen:
Sed fregit in arbore cornu
truncaque dimidia parte decoris erat.
sustulit hoc nymphe cinxitque recentibus herbis
et plenum pomis ad Iovis ora tulit.Aber sie brach ein Horn an einem Ast
und war um die Hälfte ihre Zauberkraft beschnitten.
Die Nymphe nahm dieses und umwickelte es in frische Kräuter
und trug es zu Jupiter, gefüllt mit Früchten. Ovid, Fasti
Artikel 16a (1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer…
“Wir halten uns ans Grundgesetz, da sind wir konservativ.” steht auf einem Plakatmotiv der Piratenpartei. Ich frage mich, ob das stimmt. Und ich frage mich, wenn es denn überhaupt stimmt, ob ich es gut finde!
1993 hatten Union und SPD in einem – seit der Einführung des “Notstandsartikel” 115a ins Grundgesetz – beispiellosen Schulterschluss das Recht auf Asyl in Deutschland de facto abgeschafft. Die zugefügten Absätze machen es für Verfolgte so gut wie unmöglich, nach Deutschland zu gelangen, ohne durch einen “sicheren Drittstaat” zu reisen.
Aber selbst ohne diese Verstümmelung bleibt Artikel 16a weit hinter der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zurück, wo es schließlich in Artikel 14 heißt “Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.” – also nicht nur politische Verfolgte!
Es gibt also Grund genug, sich Artikel für Artikel einmal genauer anzusehen. Ob Post- und Fernmeldegeheimnis (Art 10) oder die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art 13) – in vielen Fällen sind die Grundrechte im Laufe der Jahrzehnte zum Teil ganz wesentlich Eingeschränkt worden, wenn sie nicht (wie das Beispiel Asylrecht zeigt) von Anfang an ungenügend gewesen sind.
Es sind nicht nur die Menschen- und Bürgerrechte – auch sonst gibt es viele Punkte, die mir zumindest Diskussionswürdig erscheinen. Etwa die Trennung von Staat und Kirche. Viele fordern sie heute vollmundig, ohne darüber nachzudenken, dass die Kirchen in Deutschland nach unserer Verfassung im Rang von öffentlich-rechtlichen Körperschaften stehen. Ob Religionsunterricht, ob Kirchensteuer – sogar der Sonntag als gesetzlicher Feiertag ist Teil unserer Verfassung, und obwohl ich als Katholik den Kirchen sicher nicht übertrieben kritisch gegenüber stehe, wäre mir ein “gib dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist” persönlich lieber:
Artikel 7 (3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt.
Artikel 137 …Die Religionsgesellschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit sie solche bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere derartige öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verbande zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.
Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.Artikel 139 Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.
Also: es ist nett, Grundgesetze zu verschenken. Die Leute, die ihr Exemplar verschmissen haben, das sie (wie jeder in diesem Land) in der Schule bekommen hatten – oder zu faul sind, sich eines kostenlos bei der Bundeszentrale für politische Bildung zu bestellen, die werden sich freuen. Aber programmatisch: bitte! Da bin ich eher beim Wahlkampf 2009:
Kultur ist auch immer eine Sprache, mit denen sehr tiefgehende empathische Werte vermittelt werden und zwar über Gesellschaft, Kultur und Sprache hinausgehend, es ist die Sprache der Welt, die jeder Mensch versteht. Das baut Barrieren ab und verbindet die Menschen, es erlaubt unmittelbar mit Menschen überall auf der Welt in Kontakt zu treten. Dies verarmt und es ist ein großer Verlust, wenn die Menschen sich nicht mehr verstehen in ihren Gefühlen. „Und sie kennen die Worte nicht mehr…“ Elfriede Jelinek.
sagt Johannes Thon in seinem lesenswerten Interview mit der Rheinpost.
Kultur kommt von kultivieren: dem Ackerbau und der Gartenpflege. Kultur pflegt das Zusammenleben von Menschen in Gemeinschaften. Unsere Kultiviertheit macht es uns möglich, dass wir trotz großer Unterschiede in der Regel pfleglich mit einander umgehen. Kultur schafft einen gemeinsamen Gedanken- und Gefühlsraum, schafft Identität über Nicht-Identisches.
Eine gemeinsame Kultur lebt vom Austausch. Austausch bedeutet, die Symbole der Gemeinsamkeit zu taschen. Dies können Bilder, Gedichte oder Lieder und Musikstücke sein. Dieses Tauschen von Kultur bedeutet: ich gebe etwas, ich bekomme etwas in gleicher Art. Wir erleben dieses Geben und Nehmen täglich auf Twitter – jeder gibt, was er findet und empfindet und bekommt von den anderen deren Erzählungen zurück.
Kultur als Ware steht zu diesem freien Austausch genau gegenüber. Die Kultur verliert die Funktion des Verbindenden und wird zum Statussymbol, zu etwas, dass ich mir leisten können muss. Kultur wird nicht mehr geteilt, sondern produziert; passend spricht man auch von der Kulturindustrie. Kultur dient jetzt nicht mehr, um Gemeinsamkeit herzustellen, sondern zur Abgrenzung. Wir erleben die grotesken Auswüchse der ökonomisierung von Kultur, wenn von Kindern für das Singen von Liedern plötzlich Gebühren zu zahlen sind.
Kultur als Grundlage für Empathie ist, was Johannes Thon uns in seinem Interview beschreibt. Sharing is caring – gehen wir wieder pfleglicher miteinander um!
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